/ 05.06.2013
Ursula Bartelsheim
Bürgersinn und Parteiinteresse. Kommunalpolitik in Frankfurt am Main 1848-1914
Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 1997 (Campus: Forschung 758); 375 S.; kart., 84,- DM; ISBN 3-593-35836-0Diss. Frankfurt; Erstgutachter: L. Gall. - Am Beispiel der freien Reichsstadt Frankfurt a. M. zeigt die Autorin, wie nach der Revolution 1848 aus losen Zusammenschlüssen städtischer Honoratioren modern organisierte Parteien und Interessengruppen wurden. Dazu hat sie Quellenmaterial v. a. im Frankfurter Institut für Stadtgeschichte sowie in der Sammlung der dortigen Stadt- und Universitätsbibliothek untersucht. Bartelsheim arbeitet zum einen einen bedeutenden Abschnitt der politischen Stadtgeschichte Frankfurts auf, das nicht nur als Hauptschauplatz der Revolution, sondern insbesondere als freie Reichsstadt bis 1866 eine hervorgehobene Stellung innehatte. Zum anderen ordnet die Autorin ihre Erkenntnisse in ein theoretisches Spannungsverhältnis ein, dessen Pole schon aus dem Titel hervorgehen: Das Verhältnis von Gemeinwohl und Partikularinteresse zeigt sich dabei als ein geeignetes Strukturprinzip für die Synthese von historischen Fakten und Wunschvorstellungen zu diesem Exemplum der politischen Willensbildung in Deutschland.
Die selbst heute noch verbreitete Auffassung des letzten Jahrhunderts besagte, daß Politik und Parteien auch in der Kommunalverwaltung nichts zu suchen hätten. Frei von persönlichen Interessen könne danach für jedes Sachproblem die objektiv beste Lösung gefunden werden. Bartelsheim zeigt dagegen auf, daß schon während der Revolution von 1848 auf kommunaler Ebene politische Interessengegensätze relevant waren. Sie untersucht weiter, welche Interessengruppen und Parteien an politischen Entscheidungen partizipierten und inwieweit jeweils politischer Pluralismus gewährleistet war. Auch hinsichtlich der Parlamentsgeschichte sind Bartelsheims Erkenntnisse von Bedeutung. So stellt sie fest, daß nicht erst die Sozialdemokraten in der Stadtverordnetenversammlung eine Fraktion bildeten, sondern daß es der Demokratische Verein war, dessen Abgeordnete sich bereits vor den Stadtverordnetensitzungen trafen, um die anstehenden Tagesordnungspunkte zu besprechen (120 f.). Das Ziel der Demokraten war dabei - damals wie heute -, "ihre politische Durchsetzungskraft in den Auseinandersetzungen mit dem Magistrat zu stärken" (122). Dazu wurde ein Fraktionsstatut festgelegt, das das Verhalten der Abgeordneten regelte. "Denn schließlich ließen sich gemeinsame Interessen in der Stadtverordnetenversammlung effizienter durchsetzen, wenn die einzelnen Mitglieder einer Partei stärker in die Pflicht genommen werden konnten" (122).
Inhaltsübersicht: II. Die Revolution und ihre Folgen (1848-1866); III. Zwischen staatlicher Obrigkeit und bürgerlicher Selbstverwaltung (1866-1880); IV. Neue Wege in der Kommunalpolitik (1880-1890); V. Anfänge des politischen Pluralismus (1890-1914); VI. Frankfurter Kommunalpolitik 1848-1914.
Stefan Lembke (SL)
M. A., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.311 | 2.325 | 2.22
Empfohlene Zitierweise: Stefan Lembke, Rezension zu: Ursula Bartelsheim: Bürgersinn und Parteiinteresse. Frankfurt a. M./New York: 1997, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/7990-buergersinn-und-parteiinteresse_10583, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 10583
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M. A., Politikwissenschaftler.
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