/ 03.06.2013
Petra Weber
Carlo Schmid 1896-1979. Eine Biographie
München: C. H. Beck 1996; 968 S.; Ln., 98,- DM; ISBN 3-406-41098-7Aufgewachsen in einem deutsch-französischen Elternhaus, schon frühzeitig auf eine humanistische Bildung fixiert, und schließlich Jurist geworden, verkörpert Schmid in den zwanziger und dreißiger Jahren den Prototyp des deutschen Bildungsbürgers. Schmid ist unpolitisch, meidet die Parteien, auch wenn er in der Frage der Gestaltung und Auslegung als Völkerrechtler dezidiert Positionen vertritt, die in das konservative Parteienspektrum gehören. Gegenüber dem Nationalsozialismus verhält sich Schmid abwartend, ehe er dann einen geistigen Widerstand versucht, der allerdings so subtil ausfällt, daß er keine breite Wirkung zeigen konnte. Es reicht jedoch aus, Schmids Universitätskarriere zu verzögern. Im Krieg arbeitet er als Kriegsverwaltungsrat im besetzten Frankreich und versucht, die Härten der Besatzung für die Franzosen zu mildern, was ihn zunehmend in persönliche Gefahr bringt. Noch vor Kriegsende wieder in Tübingen unternimmt Schmid den Weg in die Politik: Er wird Ansprechpartner für die französischen Besatzer. In den Jahren bis zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland liegt der Höhepunkt für Schmids politisches Schaffen - zunächst als Landeschef für Württemberg-Hohenzollern, dann als Mitglied des Parlamentarischen Rates. Schmid, der 1946 in die SPD eingetreten war, erlebt nach 1949, wie er langsam neben Schumacher und anderen Funktionären der SPD an politischer Bedeutung verliert und letztendlich zu einem geachteten Außenseiter wird.
Weber versucht, neben den politischen auch die privaten Aspekte der Biographie Schmids auszuleuchten. Das Ergebnis ist eine detaillierte und immer sicher vorgetragene Analyse eines Politikers, der aufgrund seiner eigenen bildungsorientierten Ziele zu einer Art Geistesaristokrat heranreift. Weber zeigt, daß gerade in dieser Geisteshaltung Schmids Erfolgsrezept und gleichzeitig auch sein Scheitern lag: Einerseits war er ambitioniert und durchsetzungsfähig, wie Schmidt in den Jahren zwischen 1945 und 1949 häufig bewies; andererseits konnte der gebildete Rhetoriker auf hohem Niveau niemals die Breitenwirkung erzielen, um sich den für eine weitere Karriere in der Partei nach Schumachers Tod erforderlichen Rückhalt zu verschaffen.
Inhaltsübersicht: 1. Einleitung: Der Mensch ist, was er verbirgt; 2. Sozialismus und Nation: Die Weimarer Republik (1918-1933); 3. Unterm Hakenkreuz (1933-1940); 4. Als Kriegsverwaltungsrat in Lille (1940-1945); 5. Euphorischer Neubeginn im Südwesten (1945-1947); 6. Die große Politik lockt (1947-1948); 7. Vater des Grundgesetzes (1948-1949); 8. Enttäuschungen und politischer Abstieg (1949-1953); 9. Im Dauerzwist mit der Partei (1953-1957); 10. Noch einmal im Aufwind (1957-1961); 11. Ins Abseits gestellt und doch tätig (1961-1963); 12. Enttäuscht von Erhard (1963-1966); 13. Vernunftehe auf Zeit: Die Große Koalition (1966-1969); 14. Am Rand der Macht (1969-1973); 15. Es ist schrecklich, als Kuriosität zu gelten: Die letzten Lebensjahre (1973-1979).
Axel Gablik (AG)
Dr., Historiker.
Rubrizierung: 2.3 | 2.31 | 2.331
Empfohlene Zitierweise: Axel Gablik, Rezension zu: Petra Weber: Carlo Schmid 1896-1979. München: 1996, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/2785-carlo-schmid-1896-1979_3667, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 3667
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Dr., Historiker.
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