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/ 20.06.2013
Christina von Braun / Eva-Maria Ziege (Hrsg.)

"Das 'bewegliche' Vorurteil" Aspekte des internationalen Antisemitismus

Würzburg: Königshausen & Neumann 2004; 244 S.; brosch., 38,- €; ISBN 3-8260-2820-1
Die Autoren zeichnen von der Antike bis zum heutigen islamischen Fundamentalismus die Entwicklung und Funktion des Antisemitismus als „Bestandteil eines umfassenderen Vorurteilssyndroms“ (7) nach. Einleitend analysiert die Berliner Kulturtheoretikerin von Braun die „bemerkenswerte Langlebigkeit“ und „bemerkenswerte Wandelbarkeit“ (11) der antijüdischen Stereotypen. So versuchten die Christen nicht nur ihre unauflösliche Schuld gegenüber Gott (der seinen Sohn opferte - ein solches Opfer sei nicht zu erwidern) mit der Gestalt „des Juden“ zu lösen. Auch hätten christliche Gesellschaften „mit Vorliebe ihre Modernisierungs- und Abstraktionsschübe den Juden“ (35) überlassen, um sie anschließend zu beschuldigen und sich selbst als Opfer einer Modernisierung sehen zu können. Ein Modernisierungsschub, ähnlich dem europäischen im 19. Jahrhundert, vollziehe sich heute im arabischen Raum, so die These, die die Autorin kulturwissenschaftlich, u. a. mit dem Bedeutungszuwachs der Schriftsprache gegenüber dem Mündlichen, begründet. Und wieder dienten antijudaistische Stereotypen dazu, ungelöste Probleme zu behandeln und Schuld zuzuweisen. Allerdings habe erst die 1928 in Ägypten gegründete Muslimbruderschaft von den Nationalsozialisten gelernt, „den Antijudaismus als Mittel zur Herstellung ‚kollektiver Erregung' zu instrumentalisieren“ (14). Dieser islamische Antijudaismus wirke heute auf die europäischen Länder ein und sei damit auch deren Problem. Die Beiträge geben zu einem Teil eine interdisziplinäre Ringvorlesung wieder, die 2002 und 2003 an der Humboldt-Universität Berlin veranstaltet wurde. Aus dem Inhalt: Christina von Braun: Einführung (11-42) Klaus Holz: Die antisemitische Konstruktion des „Dritten“ und die nationale Ordnung der Welt (43-61) Hubert Cancik: Der antike Antisemitismus und seine Rezeption (63-79) Reinhard Rürup: Antisemitismus und moderne Gesellschaft. Antijüdisches Denken und antijüdische Agitation im 19. und frühen 20. Jahrhundert (81-100) Philippe Burrin: Über den Antisemitismus der Nationalsozialisten (101-115) Werner Bergmann: Auschwitz zum Trotz. Formen und Funktionen des Antisemitismus nach 1945 (117-141) Vadim Rossman: Anti-Semitism and Geopolitics in Post-Communist Russia: The Changing Attitudes of Alexander Dugin (143-151) Beate Kosmala: Das Bild der Juden nach der Shoa: „Bewegliche Vorurteile“ im polnischen Diskurs (153-173) Mariana Hausleitner: Der rumänische Holocaust und die Holocaust-Kontroverse in Rumänien (175-192) Pierre-André Taguieff: Angesichts einer neuen Judeophobie: Eine Herausforderung für Frankreich (193-199) Götz Nordbruch: Modernisierung, Anti-Modernismus, Globalisierung - Judenbilder, Verschwörungstheorien und gesellschaftlicher Wandel in der arabischen Welt (201-219) Brian Klug: The collective Jew: Israel and the new antisemitism (221-239)
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.232.3122.612.622.632.35 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Christina von Braun / Eva-Maria Ziege (Hrsg.): "Das 'bewegliche' Vorurteil" Würzburg: 2004, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/22616-das-bewegliche-vorurteil_25801, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 25801 Rezension drucken
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