/ 11.06.2013
Thilo Schulz
Das Deutschlandbild der Irish Times 1933-1945
Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 1999 (Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 838); X, 382 S.; brosch., 98,- DM; ISBN 3-631-34925-4Geschichtswiss. Diss. Hamburg. - Schulz untersucht die Berichterstattung über das nationalsozialistische Deutschland in der Irish Times, die im wesentlichen durch die Artikel und Kommentare ihres Chefredakteurs Robert Maire Smyllie geprägt wurde. Dieser Untersuchungsgegenstand ist insofern reizvoll, als Irland im Untersuchungszeitraum vornehmlich Neutralität zu den Vorgängen auf dem Kontinent hielt. Zudem war Smyllie ausgewiesener Deutschlandkenner, der sich eingehend mit Sprache und Kultur des Landes beschäftigt hatte. Schulz arbeitet heraus, daß das ursprünglich mit Hinweis auf die Bestimmungen des Versailler Vertrages deutschlandfreundliche Bild des Chefredakteurs und seiner Zeitung nicht durch die Machtergreifung Hitlers gewandelt wurde, sondern durch die Ereignisse im Umfeld des "Röhm-Putsches" 1934. Gleichwohl führte dieser wie auch andere eindeutige Wegmarken hin zur Radikalisierung in Deutschland nicht zu einem undifferenziert negativen Bild der Irish Times. Zur Erklärung dieses Befundes verweist Schulz auf die "Zwei-Deutschland-Theorie" (59) von Smyllie, der bewußt zwischen den positiven Seiten deutscher Kultur auf der einen Seite und dem gefährlichen "Prussianism" auf der anderen Seite unterschied. Letzteren machte er schließlich auch zur Erklärungsvariable für den Nationalsozialismus. Die Irish Times unterstützte zunächst die britische Politik des Appeasement, bevor sie dann nach dem "Anschluß" Österreichs eine härtere Gangart gegenüber Deutschland forderte. In diesem Kontext ist auch das von Schulz herausgearbeitete Hitler-Bild der Zeitung relevant, das wesentlich von Smyllies These einer Spielernatur geprägt war. Wie Schulz zeigt, gelang es der Irish Times und ihrem Chefredakteur jedoch letztlich nicht, "den Nationalsozialismus als Ideologie, die vom eigenen Anspruch her allen Maßnahmen der politischen Praxis zugrunde lag, adäquat zu erfassen" (359). Smyllies Artikel nennt Schulz gleichwohl "erstrangige zeitgenössische Zeugnisse" (366).
Inhalt: 2. Die Irish Times; 3. Reaktionen der Irish Times vor und nach der Machtübergabe an Hitler; 4. Österreich, die Abrüstungsfrage und Polen: Drei Aspekte deutscher Außenpolitik im Spiegel der Irish Times; 5. "Profit and Loss"; 6. Die Irish Times und Hitlers doppelter Coup vom 30. Juni 1934; 7. Paradigmawechsel; 8. Judenverfolgung und Kirchenkampf im Spiegel der Irish Times (1933-1935); 9. "Good Germans" und die nationalsozialistische Propaganda; 10. Die Rheinlandbesetzung; 11. Kolonialforderungen und Hitlers "Lebensraum"-Konzept im Spiegel der Irish Times; 12. Die Irish Times und der "Anschluß"; 13. Die sudetendeutsche Problematik; 14. Judenverfolgung und Kirchenkampf im Spiegel der Irish Times (1936-1939); 15. Die Irish Times und der deutsche Griff nach Prag; 16. Die Rezeption der Irish Times aus nationalsozialistischer Perspektive; 17. Die Irish Times und die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges; 18. Die Ablehnung der irischen Neutralität; 19. Die Irish Times und die Pressezensur in der "Emergency Period".
Manuel Fröhlich (MF)
Prof. Dr., Juniorprofessur für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.manuel-froehlich.de).
Rubrizierung: 2.312 | 2.22
Empfohlene Zitierweise: Manuel Fröhlich, Rezension zu: Thilo Schulz: Das Deutschlandbild der Irish Times 1933-1945 Frankfurt a. M. u. a.: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/11129-das-deutschlandbild-der-irish-times-1933-1945_13155, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 13155
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Prof. Dr., Juniorprofessur für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.manuel-froehlich.de).
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