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/ 17.07.2014
Angelika Praus

Das Ende einer Ausnahme. Frankreich und die Zeitenwende 1989/90

Marburg: Tectum Verlag 2014; XV, 539 S.; 39,95 €; ISBN 978-3-8288-3308-1
Geschichtswiss. Diss. Bonn; Begutachtung: B. Seebacher. – Der Untertitel deutet bereits darauf hin, dass es vornehmlich um die Haltung des französischen Staatspräsidenten François Mitterrand zur Friedlichen Revolution in der DDR, dem Ende des Kalten Krieges und zur Deutschen Einheit geht. Die Autorin steuert zu den bekannten Fakten nichts Neues hinzu, ihre deskriptive Aufarbeitung stützt sich in erster Linie auf die vorhandene Literatur – zu nennen ist hier etwa die Analyse „Mitterrand und die Deutschen“, die Ulrich Lappenküper 2011 veröffentlicht hat und eine umfassende Darstellung zum Thema bietet (siehe Buch‑Nr. 41156). Das Besondere an der Arbeit von Angelika Praus ist vielmehr die Ausdeutung der Haltung Mitterrands, die sie in einen geschichtlichen Kontext stellt – festgemacht am Stichwort der „exception française“, also der offiziellen französischen Ansicht, das Land stelle als Nation und historische Größe eine Ausnahme dar. Praus sichtet die Ursprünge dieser Annahme im 17. und 18. Jahrhundert. Einzig zu bemängeln ist an dieser Rückschau, dass die Autorin, die ansonsten kritisch schreibt, übersieht, dass etwa mit der Vereinheitlichung der französischen Sprache unter Richelieu auch eine Ausgrenzung der Frauen verbunden war (vgl. Buch‑Nr. 43131) und dass die fortgesetzte Berufung auf die Maximen der Französischen Revolution – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – kaum mit den Realitäten einer Kolonialmacht in Einklang zu bringen waren. Für die jüngere französische Geschichte gelingt es Praus aber, die ständigen Widersprüchlichkeiten zwischen historischer Wirklichkeit und heroisierendem Anspruch der Staatsführung zu benennen. Vor diesem Hintergrund wird Präsident Mitterrand in das Bild gerückt. Praus beschreibt ihn, immer gestützt auf die Aussagen anderer Historiker und Politiker, als Machtmenschen. Dass Mitterrand im Laufe seines Lebens auch politische Grundpositionen wechselte, ist hinlänglich bekannt. Praus kritisiert vor allem (wobei die Ausführungen unter Wiederholungen leiden), dass Mitterrand sich – ohne mit einer eigenen Vision ausgestattet zu sein – bildlich gesprochen den Mantel Charles de Gaulles umgehängt habe, um Frankreich durch die Geschichte zu führen. Aber so wie er zuvor mit alten wirtschaftspolitischen Rezepten gescheitert und geschichtspolitisch nicht zur Aufarbeitung des Vichy‑Regimes und damit zur Aussöhnung bereit (oder fähig) gewesen sei, so habe er den Umbruch beim deutschen Nachbarn nicht angemessen begleitet. Allein die Größe Frankreichs im Blick, habe er gerade diese als Relikt vergangener Tage erscheinen lassen.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.612.232.244.222.3132.314 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Angelika Praus: Das Ende einer Ausnahme. Marburg: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/37300-das-ende-einer-ausnahme_45414, veröffentlicht am 17.07.2014. Buch-Nr.: 45414 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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