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/ 11.06.2013
Roswitha Scholz

Das Geschlecht des Kapitalismus. Feministische Theorien und die postmoderne Metamorphose des Patriarchats

Bad Honnef: Horlemann 2000 (Edition Krisis); 190 S.; brosch., 24,- DM; ISBN 3-89502-100-8
Die Autorin wendet sich gegen zwei Haupt- und zweieinhalb Nebenfeinde. Die Hauptfeinde, kapitalistische Globalisierung und Patriarchat, werden nur kursorisch behandelt, da die Notwendigkeit ihrer Überwindung außer Frage zu stehen scheint; es ist das "mittlerweile desolat gewordene kapitalistisch-patriarchale System insgesamt, dessen ökonomische, soziale und ökologische Grenzen längst überdeutlich geworden sind" (11). Um so ausführlicher befasst sie sich mit theoretischen Ansätzen, die zwar auch die Hauptfeinde bekämpfen wollen, dafür aber ein unzureichendes Instrumentarium bereitstellen. Der Fehler der dekonstruktivistischen Differenztheorien sei ihre primär kulturelle Argumentation. Die letzten zehn Jahre hätten gezeigt, und zwar "überdeutlich, wohin diese Differenzorientierung in einer sich weltweit verschärfenden Konkurrenzsituation führen kann: in (Ethno-)fundamentalismus, Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus" (6). Gegen die postmoderne Beliebigkeit sei aber eine universalistische Großtheorie notwendig. Der Fehler des klassischen Marxismus sei nun, den Wertbegriff lediglich auf patriarchalische, männliche Arbeit anzuwenden. Und die Kritische Theorie, auf deren Basis sich die Autorin letztlich sieht, ist ihrerseits nicht (mehr) ganz zureichend und muß zeitgemäß überarbeitet werden. Autorinnen, die stattdessen auf der unverändert übernommenen Basis der Frankfurter Schule argumentieren, greifen zu kurz, wie ausführlich dargelegt wird (24 ff.). Stattdessen sieht die Autorin in einer Theorie der "Wert-Abspaltung" (13 ff.) die Verbindung von marxistisch-großtheoretischen und feministischen Ansätzen, indem das Geschlechterverhältnis in die Analyse der Produktionsverhältnisse einbezogen, bzw. seine Ausschaltung durch die klassische marxistische Theorie aufgehoben wird. Damit sollen materialistische, kultur-symbolische und sozialpsychologische Ebenen einbezogen werden. Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass ausweislich des Literaturverzeichnisses kein einziger fremdsprachlicher Titel wert war, in die Überlegungen des Bandes, die immerhin globalen Anspruch erheben, einbezogen zu werden. Abschließend sei ein caveat der Autorin wiedergegeben: "Wem lange Sätze zuwider sind; wem Windungen und Wendungen in einer diffizilen, schlüssig-unschlüssigen bzw. unschlüssig-schlüssigen Argumentation unerträglich sind; wer denkt, daß auf eine Frage schon im nächsten Satz die Antwort zu folgen hat, ohne geduldig ihre Entfaltung abwarten zu können; wer der Auffassung ist: 'Wenn du deine Meinung nicht in drei Sätzen sagen kannst, laß es sein'; wer sich theoretische Aufsätze 'reinziehen' und sie nicht durcharbeiten und studieren will; wer meinen Text am Strand lesen möchte; kurz, wer sich einen 'Theorieburger' wünscht, sollte schon jetzt das Buch aus der Hand legen, er/sie wird enttäuscht werden." (12)
Michael Dreyer (MD)
Prof. Dr., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.275.4 Empfohlene Zitierweise: Michael Dreyer, Rezension zu: Roswitha Scholz: Das Geschlecht des Kapitalismus. Bad Honnef: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/10601-das-geschlecht-des-kapitalismus_12536, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 12536 Rezension drucken
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