/ 04.06.2013
Sabino Acquaviva
Das Glück. Ein politisches Projekt
Bonn: Bouvier Verlag 1998; 179 S.; geb., 29,80 DM; ISBN 3-416-02701-9Die politische Frage, welcher der italienische Soziologe in seinem Essay nachgeht, formuliert Acquaviva folgendermaßen: "Wie kann man die Bedingungen schaffen, damit alle [...] Mitglieder [der Gesellschaft] unter den besten Voraussetzungen nach ihrem Glück streben können und die größten konkreten Möglichkeiten erhalten, es zu erreichen?" (22) Das Glück, um das es hierbei geht, ist das individuelle Glück, das der Autor im wesentlichen mit der Befriedigung von Bedürfnissen, insbesondere auch psychischen und seelischen Bedürfnissen, gleichsetzt. Zunächst befaßt er sich mit dem Scheitern überkommener Versuche, die Menschen auf politischem Wege glücklich zu machen, womit er vor allem den "sogenannten realen Sozialismus" (27) meint. Sodann skizziert Acquaviva sein Glücksprojekt, indem er zunächst nach der möglichen Zukunft einer Gesellschaft fragt, "welche die Bedürfnisse der Menschheit befriedigen kann" (54 ff.) und danach zeigt, daß das Glück politisch geplant werden muß (107 ff.). Wie der Autor selbst bemerkt, stellen seine Ausführungen in zahlreichen Punkten "keine ganz klaren Ideen" (113) dar und beschränken sich weitgehend auf die "Andeutung von Prämissen" (127). Die Prämissen und die offerierten unklaren Ideen indes machen den Leser schaudern. Da wird die Morgenröte einer neuen Zivilisation angekündigt (171), da ist die Rede vom "Sonnenstaat", dessen Zukunft "für morgen oder übermorgen auf der Tagesordnung" (166) stehe, und dieses neue Reich des Glücks schließlich soll mittels eines psychologischen und kulturellen Ingenieurwesens geplant werden, das uns dazu verhelfen soll - endlich - wieder "so zu leben, wie es von unserer Herkunft als Jäger und Sammler her geboten ist" (132). Das Ganze erwächst einer Haltung, die man wohl mit Politikverdrossenheit wird bezeichnen müssen. Acquaviva gefällt unsere gegenwärtige Welt nicht. Die heutige "Organisation der Gesellschaft" trägt für ihn "wirklich perverse Züge: Man kämpft um Macht und Privilegien und vergißt dabei die Ängste und Gefühle der Menschen" (158). Klar, daß Acquaviva Freiheit, Gleichheit und Rechtsstaat in bezug auf sein Projekt nicht ausreichen, denn sie sind "nur [...] Mittel zum Glück" (101), erzeugen dieses aber nicht. Dem Autor scheint es an Phantasie zu mangeln bezüglich der Frage, wie sein Sonnenstaat denn wohl aussehen würde (überhaupt sagt er darüber, wie diese glückliche Gesellschaft konkret geplant oder umgesetzt werden soll, kaum etwas). Indes braucht man nicht einmal besonders viel Phantasie dazu, man muß nur bei Huxley nachlesen. Wer gerne in dessen brave new world leben möchte, wird sich an Acquavivas Buch erfreuen.
Michael Henkel (MH)
Priv.-Doz. DR., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 5.42
Empfohlene Zitierweise: Michael Henkel, Rezension zu: Sabino Acquaviva: Das Glück. Bonn: 1998, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/4118-das-glueck_5825, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 5825
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Priv.-Doz. DR., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
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