/ 22.06.2013
Thomas Bedorf / Kurt Röttgers (Hrsg.)
Das Politische und die Politik
Berlin: Suhrkamp 2010 (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1957); 384 S.; 14,- €; ISBN 978-3-518-29557-1Das bekannte Diktum Carl Schmitts, der Staat setze immer schon den Begriff des Politischen voraus, postuliert eine Unterscheidung, die theoriegeschichtlich lange als Domäne eines eher konservativ geprägten Dezisionismus schien. In den 80er- und 90er-Jahren ist jedoch – primär in der poststrukturalistischen und postmarxistischen französischen Debatte – die Differenz zwischen Politik und dem Politischen in einer Weise aktualisiert worden, die sich als kritische Auseinandersetzung mit liberalen Demokratietheorien lesen lässt. Im Kontext dieser Debatte – geführt unter anderem von Jean-Luc Nancy, Jacques Rancière, Ernesto Laclau, Chantal Mouffe – wird dem Politischen ein nahezu emphatischer Status zugewiesen. In scharfer Abgrenzung zur faktischen, Institutionen und Machtpraktiken umfassenden Politik erhält das Politische teils eine explizit normative, Egalität im Sinne radikaler Demokratie betonende Bedeutung. Teils wird die Differenz ontologisierend ausgelegt, insofern das Politische den Raum konstituiert, der Auseinandersetzungen zwischen Kollektiven überhaupt erst ermöglicht und teils wird als substantiell politisch der Moment hervorgehoben, in dem die herkömmliche Ordnung der Politik unterbrochen wird. Man sollte die unterschiedlichen Auslegungen der Differenz – trotz aller terminologischen Schwankungen – zunächst als disziplininterne Problematisierungen von Prämissen der neueren, kontraktualistisch orientierten politischen Theorie verstehen. In zweiter Linie enthalten sie – wie die Herausgeber zu Recht unterstreichen – auch ein Potenzial, das zeitdiagnostischen Absichten entgegenkommt, aktuelle Symptome eines Verlustes des Politischen zu interpretieren. Die gut zusammengestellte Auswahl der Beiträge ermöglicht eine Überprüfung beider Aspekte. Zunächst werden begriffliche Fragen der Differenz erörtert, wobei die Abhandlungen von Bedorf und Röttgers auch als Einführung in die Thematik genutzt werden können. Unterschiedliche Deutungen des Politischen – teils eher theoriegeschichtlich (bezogen auf Kracauer, Kant, Luhmann), teils stärker aktuelle Probleme aufgreifend (so Vertrauen oder Ziviler Ungehorsam) – sind Gegenstand der Teile zwei und drei. Der letzte Teil gibt Positionen Raum, die die Abhebung des Politischen von der Politik durchaus kritisch beurteilen.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.1 | 5.42 | 5.41
Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Thomas Bedorf / Kurt Röttgers (Hrsg.): Das Politische und die Politik Berlin: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/32265-das-politische-und-die-politik_38501, veröffentlicht am 09.11.2010.
Buch-Nr.: 38501
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Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
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