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/ 21.06.2013
Jens Schöne

Das sozialistische Dorf. Bodenreform und Kollektivierung in der Sowjetzone und DDR

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2008 (Schriftenreihe des Sächsischen Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen 8); 176 S.; pb., 9,80 €; ISBN 978-3-374-02595-4
Der Autor widmet sich der Landwirtschaftspolitik der DDR und damit der oft vernachlässigten Tatsache, dass die marxistisch-leninistische Ideologie der totalen Umgestaltung der ökonomischen und sozialen Verhältnisse auf dem Lande eine zentrale Rolle beimaß. Dabei galt die traditionell organisierte Dorfgemeinschaft den Kommunisten als Verkörperung und Keimzelle der zu überwindenden spätfeudalen und antimodernen Gesellschaft und musste daher schnellstmöglich strukturell aufgebrochen und durch radikale Maßnahmen wie Bodenreform und Kollektivierung auf den Weg der Moderne gebracht werden. Als Vorbild und Referenzpunkt funktionierte dabei nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs vor allem die Landwirtschaftspolitik der Sowjetunion, welche – mit der Ausnahme Polens – in den meisten Ländern des Ostblocks kopiert wurde. Die Kommunisten in der sowjetischen Besatzungszone bzw. die DDR-Führung betrieben sowohl Bodenreform (1945-1948) als auch Kollektivierung (1952-1960/61) mit besonderem ideologisch getriebenen Eifer und Nachdruck. Das angestrebte Ziel war die Entstehung des „sozialistischen Dorfes“ – die vollständige Vergenossenschaftlichung der DDR-Landwirtschaft in Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften und die totale Unterwerfung des Dorflebens unter die SED-Herrschaft. Dass ökonomische Beweggründe bei der Umstrukturierung des ländlichen Lebens stets nur eine untergeordnete Rolle spielten bzw. negative Folgen von Bodenreform und Kollektivierung bewusst in Kauf genommen wurden, zeigt die angespannte bis katastrophale Versorgungslage der DDR mit Lebensmitteln bis in die frühen 60er-Jahre. Die weitere Konzentration und Spezialisierung der DDR-Landwirtschaft in den 60er- und 70er-Jahren führte dann zu einer immer weitergehenden „Industrialisierung“ (147) der ländlichen Produktionsverhältnisse – ein System, welches nur durch enorme Subventionen und soziale Anreize aufrechterhalten werden konnte und schließlich zunehmend von der eigenen Substanz lebte.
André Härtel (ANH)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Rubrizierung: 2.314 Empfohlene Zitierweise: André Härtel, Rezension zu: Jens Schöne: Das sozialistische Dorf. Leipzig: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/29532-das-sozialistische-dorf_34962, veröffentlicht am 07.10.2008. Buch-Nr.: 34962 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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