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/ 31.10.2013
Annette Leo / Franka Maubach (Hrsg.)

Den Unterdrückten eine Stimme geben? Die International Oral History Association zwischen politischer Bewegung und wissenschaftlichem Netzwerk

Göttingen: Wallstein Verlag 2013; 378 S.; brosch., 34,90 €; ISBN 978-3-8353-1161-9
1976 trafen sich Wissenschaftler_innen aus unterschiedlichen Disziplinen, die ein gewisses Unbehagen an den traditionellen Forschungsmethoden und ‑inhalten verspürten. Unter dem Eindruck der Achtundsechziger und der sich daraus entwickelnden weiteren Bewegungen erachteten sie eine alternative Geschichtsschreibung für notwendig. Diese sollte nicht mehr nur Staatsmänner und Hochfinanziers in den Blick nehmen, sondern sich auf „einfache“ Leute konzentrieren und sie durch das Erzählen der eigenen Geschichte selbst zu Wort kommen lassen. Innerhalb des akademischen Bereichs rief diese neue, nicht in das konservative Wissenschaftsverständnis hineinpassende Quellenart und Methodik der später sogenannten Oral History viel Widerstand hervor. Dennoch trafen sich die lose miteinander verbundenen Forscher_innen mehrfach, gewannen mit der Zeit eine zu Beginn kaum vorhandene Distanz zwischen Fragenden und Befragten, professionalisierten ihre Herangehensweise und schafften es, Oral History an Universitäten zu etablieren. Wenngleich erst 1996 offiziell die International Oral History Association gegründet wurde, hat die Organisation also eine deutlich längere Geschichte, die die Autor_innen dieses Sammelbandes anhand von Zeitzeugeninterviews sowie schriftlichen Quellen (persönliche Korrespondenz zwischen den Akteuren, Unterlagen der zwischen 1976 und 1996 abgehaltenen Konferenzen sowie Beiträge in Oral‑History‑Zeitschriften) erstmals nachzeichnen. Dabei zielen sie auf „Fragen nach den Persönlichkeiten, die das Netzwerk prägten, nach der Art und Weise, wie dieser lose Verbund über so viele Jahre funktionieren konnte, nach der transnationalen und transdisziplinären Kooperation, nach den Machtstrukturen, den Konflikten und nach der Bedeutung des sie alle verbindenden und trennenden Mediums – des gesprochenen Wortes“ (18). Mit viel Akribie, dem notwendigen Gespür für die politische Stimmung und das damalige Wissenschaftsverständnis, aber eben auch mit dem (heute deutlich leichter realisierbaren) Abstand zur Motivation der Oral Historians wird so die Geschichte des in seiner Internationalität und Interdisziplinarität einmaligen wissenschaftlichen Netzwerks erzählt.
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 5.2 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Annette Leo / Franka Maubach (Hrsg.): Den Unterdrückten eine Stimme geben? Göttingen: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/36348-den-unterdrueckten-eine-stimme-geben_44201, veröffentlicht am 31.10.2013. Buch-Nr.: 44201 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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