/ 11.09.2014

Giovanni Rubeis
Der erste Schritt zur Knechtschaft. Friedrich August Hayeks Kritik der sozialen Gerechtigkeit als Schlüssel zu seinem Gesamtwerk
Berlin: Logos Verlag 2012; 260 S.; 38,50 €; ISBN 978-3-8325-3276-5Diss. Tübingen. – Giovanni Rubeis wirft einen systematischen sozialphilosophischen Blick auf das Werk Friedrich August von Hayeks, das er einer kritischen Würdigung unterzieht. Im Zentrum der Arbeit steht das Konzept der sozialen Gerechtigkeit und die Kritik, die Hayek daran übte. Rubeis unterscheidet drei Ebenen: Mit der semantischen Kritik begründet Hayek, dass der Begriff der sozialen Gerechtigkeit inhaltsleer und irreführend sei. Mit der epistemologischen Kritik argumentiert Hayek, dass alle bewussten Schritte zur Herstellung sozialer Gerechtigkeit dem katallaktischen Prozess des Marktes und der kulturellen Evolution unangemessen seien. Mit der sozialethischen Kritik schließlich verwirft Hayek das Konzept der Verteilungsgerechtigkeit und argumentiert, dass sich hinter dem Rekurs auf soziale Gerechtigkeit in der Regel partikulare Interessen verbergen und er ein Anspruchsdenken in der Gesellschaft befördere. Rubeis gelingt es überzeugend, das Versprechen des Titels einzulösen und diese Formen der Kritik als zentralen Baustein der Sozialphilosophie Hayeks auszuweisen. Noch viel überzeugender gelingt es ihm, die binnentheoretischen Spannungen, Widersprüche und Aporien aufzuzeigen, die diese Sozialphilosophie durchziehen. Sei es die Reduktion des Gerechtigkeitsbegriffs auf bloße (ökonomische) Verteilungsgerechtigkeit, die Ablehnung von Menschenrechten oder der Vorzug des Telos der effektiven Wissensnutzung vor dem Freiheitstelos: an diesen und weiteren Stellen verstrickt sich Hayek in Widersprüche, die seinen Anspruch, den Liberalismus zu erneuern, ad absurdum führen. Rubeis‘ Kritik an Hayek geht dabei so weit, dass das zweite Ansinnen der Arbeit, Hayek für aktuelle sozialphilosophische Diskussionen fruchtbar zu machen, vom Autor selbst als beinahe gescheitert eingestuft wird. Als Quelle für die Ideen‑ und Wirkungsgeschichte des Neoliberalismus mag Hayek demnach aufschlussreich und unverzichtbar sein, als seriöser Ideengeber für sozialphilosophische Debatten kommt er nur für wenige und randständige Punkte in Betracht, die am Ende der Arbeit kurz aufgelistet werden. Stattdessen empfiehlt der Autor einen stärkeren Rückgriff auf die Debatten im Anschluss an Rawls und einen tatsächlichen politischen Liberalismus mit einer politischen Gerechtigkeitskonzeption. Diese wird von Rubeis vor allem im Anschluss an Otfried Höffe den Überlegungen Hayeks gegenübergestellt.
Andreas Braune (BR)
M. A., Politikwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter, Projekt "Bildung zur Freiheit", Institut für Politikwissenschaf, Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Rubrizierung: 5.46 | 5.42 Empfohlene Zitierweise: Andreas Braune, Rezension zu: Giovanni Rubeis: Der erste Schritt zur Knechtschaft. Berlin: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/37516-der-erste-schritt-zur-knechtschaft_45665, veröffentlicht am 11.09.2014. Buch-Nr.: 45665 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenM. A., Politikwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter, Projekt "Bildung zur Freiheit", Institut für Politikwissenschaf, Friedrich-Schiller-Universität Jena.
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