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/ 19.06.2013
Timm Genett

Der Fremde im Kriege. Zur politischen Theorie und Biographie von Robert Michels 1876-1936

Berlin: Akademie Verlag 2008 (Politische Ideen 20); 852 S.; geb., 79,80 €; ISBN 978-3-05-004408-8
Politikwiss. Diss. HU Berlin; Gutachter: W. Hardtwig, H. Münkler. – Die gewichtige intellektuelle Biografie ist die erste Gesamtdarstellung über das Leben und politische Werk von Robert Michels nach der Dissertation von Pfetsch (1965) und der Habilitationsschrift von Röhrich (1970). Gestützt auf die Quellen im Turiner Michels-Archiv, bricht Genett mit einigen in der Forschung seither unstrittig gebliebenen Deutungsansätzen. So wird über Michels’ Wandel vom radikalen Linken zum Gewährsmann des italienischen Faschismus nicht mehr glättend hinweggegangen, wie etwa mit der Hypothese seiner totalitären Demokratievorstellung. Vielmehr werden, auch biografietheoretisch gesättigt, die einzelnen Phasen seines Lebens in ihrem je eigenen Recht betrachtet und kritisch ausgeleuchtet – nicht zuletzt entgegen der Selbstauslegung des späten Michels, durch die die Forschung bislang stark vorgeprägt wurde. Sein soziologisches Hauptwerk wird ebenfalls einer neuen Lesart unterzogen, die je für sich eine progressive und eine konservative Deutung seiner Intentionen plausibel macht. So erscheint die Ambivalenz der Soziologie des Parteiwesens als keineswegs zufällig, sondern dem Umstand geschuldet, dass sich bei deren Autor „die tradierten optimistischen Gewißheiten seines positivistischen Gesellschafts- und Geschichtsbildes“ mit einem „Positivismus der zweiten Phase“ zu überlappen beginnen, der „zunehmend einen Sozialdarwinismus ohne Aussicht auf ein humanes Telos der sozialen Kämpfe“ (27 f.) thematisiert. Auch die parteipolitischen Aktivitäten und Wertungen Michels’ erfahren eine neue Einordnung – neu vor allem gegenüber der deutschen Diskussion, sofern sie die italienischen und französischen Archivalien nicht zur Kenntnis genommen habe. Auch hier greift der biografietheoretische Anspruch der Arbeit Genetts, indem etwa Michels’ Sicht auf den SPD-Parteitag von 1903 einer Generalrevision unterzogen wird.
Thomas Nitzsche (TN)
M. A., Fachreferent für Politikwissenschaft, Soziologie und Wirtschaftswissenschaft an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek in Jena (ThULB).
Rubrizierung: 1.32.32.3112.612.255.46 Empfohlene Zitierweise: Thomas Nitzsche, Rezension zu: Timm Genett: Der Fremde im Kriege. Berlin: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/21569-der-fremde-im-kriege_34713, veröffentlicht am 13.01.2009. Buch-Nr.: 34713 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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