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/ 05.06.2013
Karlheinz Weißmann

Der Nationale Sozialismus. Ideologie und Bewegung 1890 bis 1933

München: Herbig 1998; 368 S.; geb., 49,90 DM; ISBN 3-7766-2056-0
Den nationalen Sozialismus nicht als spezifisch deutsches, sondern als europäisches Phänomen sichtbar zu machen, ist eines der Anliegen, das Weißmann mit seinem Buch verfolgt. Tatsächlich gab es "seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in praktisch allen entwickelten Staaten Europas" (12) Gruppierungen, die national-soziale bis nationalistisch-sozialistische Programmatiken aufwiesen. Daß diese Programmatiken Umsetzungen eines weltanschaulichen Konzeptes darstellten, ist eine weitere These, die Weißmann zu belegen unternimmt. Allerdings wird diese These sogleich wieder eingeschränkt: "[E]ine für alle verbindliche und konsistente national-sozialistische Theorie" (13) habe es nie gegeben. Was erlaubt es dann, von einer gemeinsamen Ideologie zu sprechen? Eine Komponente, die Weißmann aufzählt, nämlich eine Variante des "sozialdemokratischen Revisionismus", die neben der Hinwendung zur Nation auch die zum "bürgerlichen Verfassungsstaat" (12) propagierte, gilt erkennbar für den deutschen Nationalsozialismus nicht. Denn dieser nutzte den bürgerlichen Verfassungsstaat nur zu dessen Selbstdestruktion. Wie problematisch es ist, den Begriff "nationaler Sozialismus" so weit zu fassen, wie Weißmann es tut, zeigt sich daran, daß er dessen Fortexistenz nach dem Zweiten Weltkrieg in den Befreiungskriegen der Dritten Welt findet. Das will auch nicht zu seiner These passen, eine wesentliche Grundlage für die national-sozialistischen Bewegungen sei die Mobilisierung einer Massenbasis gewesen, die aufgrund der "Atomisierung in der modernen Industriegesellschaft" (13) möglich und nötig geworden sei. Letztlich geht es dem Autor darum, den sozialistischen Charakter des Nationalsozialismus zu betonen. Doch die Zeugen des deutschen Nationalsozialismus, die er im Vorwort zum Beleg seiner Auffassung anführt, nämlich Goebbels und Gregor Strasser, haben sich in der NSDAP mit eben dieser Auffassung nicht durchsetzen können. Und Hitlers Position läßt sich wohl treffender mit der eines "sozialen Nationalismus" umschreiben, denn die Priorität lag eindeutig auf nationalistischer Seite. Daß beide großen Ideologien des 20. Jahrhunderts einander auffallend ähneln, die eine der anderen "ein feindlicher Bruder" (19) war, muß deshalb nicht falsch sein. Ob es allerdings die sozialistische Tendenz gewesen ist, in der beide übereinkamen, oder ob der Nationalsozialismus nicht eine ganz andere Begründung für seine Form des Kollektivismus gefunden hatte, wäre eine weitere Untersuchung wert.
Barbara Zehnpfennnig (BZ)
Prof. Dr., Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte, Universität Passau.
Rubrizierung: 2.612.252.312 Empfohlene Zitierweise: Barbara Zehnpfennnig, Rezension zu: Karlheinz Weißmann: Der Nationale Sozialismus. München: 1998, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/6635-der-nationale-sozialismus_8960, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 8960 Rezension drucken
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