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/ 11.02.2016
Frank Uekötter

Deutschland in Grün. Eine zwiespältige Erfolgsgeschichte

Göttingen u. a.: Vandenhoeck & Ruprecht 2015; 294 S.; 29,99 €; ISBN 978-3-525-30057-2
Umweltaktivist_innen im Ausland blickten mit Neid auf die breite Akzeptanz für Umweltschutzmaßnahmen in Deutschland. International werde das hiesige Bemühen um mehr Nachhaltigkeit gelobt. Das habe sogar dazu geführt, dass „sich eine Art grüner Patriotismus“ (10) entwickelt habe, die Deutschen seien stolz auf ihre gefühlte ökologische Vorreiterrolle, konstatiert Frank Uekötter. Er beschreibt mit Verve und anekdotenreich, wie sich die deutsche Umweltdebatte geschichtlich entwickelt hat. Ihm geht es nicht um eine eindimensionale Erfolgsgeschichte, vielmehr will er mit den Mitteln des Historikers einen differenzierten und kritischen Überblick zur deutschen Umwelthistorie entwerfen. Uekötter beginnt nicht wie üblich 1713 mit der oft rezipierten Ersterwähnung des Nachhaltigkeitsbegriffs durch Hans Carl von Carlowitz, sondern erst im späten 19. Jahrhundert. Industrialisierung und Verstädterung sorgten für eine zunehmende Naturverschmutzung und damit eine gesteigerte Aufmerksamkeit für ökologische Probleme. 1875 kam es etwa zur Gründung einer Organisation von Ornithologen, die wenig später in „Deutscher Verein zum Schutze der Vogelwelt“ (36) unbenannt wurde. Das entsprach dem globalen Trend, bereits 1913 fand die erste Weltnaturschutzkonferenz in Bern statt. Im Nationalsozialismus sei, so schreibt Uekötter, eine ambivalente und keinesfalls systematische Umweltpolitik verfolgt worden: Heinrich Himmler und Rudolf Heß hätten großes Interesse an biologisch‑dynamischer Landwirtschaft gezeigt. Als Ministerpräsident Preußens habe Hermann Göring kurzzeitig Tierversuche verboten. Von einem „‚völkischen Naturschutz‘“ (72) könne rückblickend aber keine Rede sein, die Deutung der „Blut‑und‑Boden‑Ideologie als faschistische Öko‑Philosophie“ (72) sei nicht haltbar und werde meist als Provokation vorgebracht, betont der Autor. Seit 1970 habe dann die ökologische Revolution Fahrt aufgenommen und das Umweltthema sei aus seiner gesellschaftlichen Nische herausgekommen. Die Gründe dafür seien überraschend wenig erforscht, daher widmet Uekötter ihnen ein eigenes Kapitel, in dem er nicht zuletzt den sprachlichen Wandel als Schlüsselelement sieht. Zum aktuellen Stand der Umweltdebatte resümiert der Autor, dass gerade die „Umweltpolitik vielfältige Möglichkeiten für schöne Sprüche und schöne Bilder“ (230) biete – Symbolbilder vom Eisbärnachwuchs mit Politiker_innen zeigten, wie sehr das Thema inzwischen oft nur einer oberflächlichen Rhetorik diene.
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Rubrizierung: 2.32.312.341 Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Denzler, Rezension zu: Frank Uekötter: Deutschland in Grün. Göttingen u. a.: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/39383-deutschland-in-gruen_47821, veröffentlicht am 11.02.2016. Buch-Nr.: 47821 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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