/ 11.06.2015
Hans von der Groeben
Deutschland und Europa in einem unruhigen Jahrhundert. Erlebnisse und Betrachtungen
Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2014; 507 S.; 2., unveränd. Aufl.; geb., 79,- €; ISBN 978-3-8487-1368-4Memorabilien sind etwas aus der Mode gekommen, was wohl an der schnelllebigen Art und Weise liegt, mit der heute Politik betrieben wird. Einzelne Biografien bleiben im Gedächtnis, andere sind im öffentlichen Raum Teil der Erinnerungskultur oder aber nahezu ganz vergessen. Eingeweihten ist der Name Hans von der Groeben noch ein Begriff: Er zählt – wie Jean Monnet, Konrad Adenauer, Alcide de Gasperi und Paul Henri Spaak – zu den prägenden Gestalten, die nach 1945 die Verantwortung für den Neuanfang trugen. Im heutigen Łankiejmy geboren, früher Langheim und in der Wojewodschaft Ermland‑Masuren gelegen, ist von der Groeben zudem ein Vertreter derjenigen, die nach 1945 auf der Suche nach einer neuen Heimat waren und sich gerade deshalb vehement für die Idee einer europäischen, auf die Friedenssicherung abzielenden Zusammenarbeit begeistern konnten. Seine Erinnerungen, nach 1995 nunmehr in einer zweiten, unveränderten Auflage vorliegend, zeigen einen kritischen, lebendigen Geist, der die Verhandlungen um die Römischen Verträge und den Aufbau der Hohen Behörde mit der notwendigen Distanz reflektiert. Wenn er sich selbst als „Architekten“ und Robert Schuman als einen der „Bauherren“ (19) sieht, verortet er sich zwar in der zweiten Reihe, ist sich aber seiner Rolle durchaus bewusst. Dies ist umso bemerkenswerter, da er sich auch mit seinem Wirken im NS‑Regime und während des Zweiten Weltkrieges auseinandersetzt und so Gefahr läuft, als unpolitischer Mitläufer eingestuft zu werden, der sich dessen erst angesichts der eigenen Kriegserfahrungen und vor allem des Kriegsendes bewusst wird. Seinem europäischen Engagement, das ihn von 1952 an zu einem der zentralen Akteure auf der Bühne in Brüssel und Straßburg werden lässt, tut das aber keinen Abbruch. Hier schreibt jemand seine Erinnerungen auf, der sich der Notwendigkeit einer Europäischen Union bewusst ist, der die Alternativen und deren Folgen für die Menschen in Europa aus eigener Anschauung kennt. Der Stil mag veraltet, der Ausdruck nicht ganz so forsch sein. Dafür scheint hier – auch im dankenswerterweise beigefügten Register – ein Europa auf, das es lohnt, (neu) entdeckt zu werden.
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Rubrizierung: 1.3 | 3.1 | 2.311 | 2.312 | 2.313 | 3.2
Empfohlene Zitierweise: Martin Schwarz, Rezension zu: Hans von der Groeben: Deutschland und Europa in einem unruhigen Jahrhundert. Baden-Baden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/38509-deutschland-und-europa-in-einem-unruhigen-jahrhundert_46518, veröffentlicht am 11.06.2015.
Buch-Nr.: 46518
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