Der Bonner Republik und insbesondere der Ära Adenauer haftet immer etwas Beschauliches – um nicht zu sagen: Provinzielles – an; internationale Konkurrenz und Wettbewerb scheinen weit weg, es herrschen soziale Marktwirtschaft und Wirtschaftswunder. Der von Eckart Conze herausgegebene Band dokumentiert die Beiträge der Röhndorfer Gespräche aus dem April 2008 und zeigt, dass es Globalisierungsphänomene mitsamt ihren Auswirkungen schon seit Entstehen der Bonner Republik gegeben hat. Wie sich herausstellt, unterlag die bundesrepublikanische Rolle in den 1950er‑ und 1960er‑Jahren überaus komplexen Umfeldbedingungen: Neben dem Systemkonflikt zwischen West und Ost und der globalen Dekolonisierungswelle waren die Aufnahme von Nachkriegsbeziehungen zu Ländern in aller Welt und die Etablierung eines Verständnisses von westdeutscher Wirtschafts‑ und Entwicklungspolitik herausragende Themen der Epoche. Neben einer Reihe von Beiträgen, in denen bilaterale Beziehungen (etwa zu Japan, Indien, zur DDR oder zu Frankreich) thematisiert werden, bilden Metabetrachtungen zur Wirtschafts‑ und Entwicklungspolitik den inhaltlichen Schwerpunkt des Bandes. Während etwa in der Entwicklungspolitik, wie Dirk van Laak in seinem Beitrag ausführt, noch in den 1950er‑Jahren ein weitgehendes Desinteresse herrschte, das nur dann überwunden wurde, wenn es um genuin eigene Interessen ging, brach diese politische Selbstbeschränkung in den 1960er‑Jahren auf. Ursächlich hierfür war allerdings nicht zuletzt der Internationalismus der politischen Linken, der eine zunehmende, nicht mehr bloß utilitaristisch motivierte Öffnung gegenüber den weniger weit entwickelten Ländern der Welt auch politisch erzwang. Erst dann fügt sich der Satz, den Adenauer nach seiner Weltreise im März und April 1960 geschrieben hatte, in das Bild: Wir müssen uns „an diese Weite und an die trotzdem vorhandene enge Verbundenheit der Kontinente gewöhnen [...], um die richtige Politik treiben zu können.“ (9) Das klingt dann wirklich nicht mehr nach der Provinzialität, die der Epoche allzu häufig und zu Unrecht attestiert wird.