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/ 26.09.2013
Martin Saar

Die Immanenz der Macht. Politische Theorie nach Spinoza

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2013 (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2054); 459 S.; 22,- €; ISBN 978-3-518-29654-7
Jeder Mensch hat das Recht, all das zu tun, wozu er von Natur aus fähig ist. In Gemeinschaft hat der Mensch mehr Macht über seine Umwelt, also auch mehr Rechtfertigung für sein Handeln. Die Demokratie, als Staatsform mit dem höchsten Maß an Kooperation, ist somit die rechtmäßige Form menschlicher Gesellschaft – so lautet der zentrale Gedankengang in der politischen Theorie des niederländischen Philosophen Baruch de Spinoza. Der hatte in der frühen Neuzeit versucht, ein vernünftiges Fundament für das Nachdenken über Politik und Gesellschaft zu legen und fand dafür eine rational beobachtbare Größe: die jedwede soziale Beziehung durchdringende Macht. Mit diesem Band legt Martin Saar jetzt eine weitere systematische Aufarbeitung der Philosophie Spinozas vor und konzentriert sich dabei noch stärker als andere Interpretationen auf die Immanenz von Machtmechanismen in der Gesellschaft. Seine Rekonstruktion der drei Hauptwerke Spinozas, die sich zwischen Naturrechtslehre und Vertragstheorie bewegen, ist analytisch klar und auch ohne Vorwissen zu Spinoza nachvollziehbar. Im Blickpunkt des zweiten Teils steht eine ausführliche Kritik der Spinoza‑Rezeption bei Louis Althusser, Étienne Balibar und vor allem Antonio Negri. Die Ausarbeitung einer „allgemeinen Machttheorie“ (131) beschränkt sich dann allerdings auf einige wirklich sehr allgemeine Grundprinzipien. Diese umfassen die Dreiteilung des Machtbegriffs in die Komponenten Konstitution, Relation und Amplifikation, also Gründung, Ordnung und Intensivierung des gesellschaftlichen Lebens auf der Basis von Machtverhältnissen. Das läuft auf eine affirmative Umbesetzung des Machtbegriffes hinaus: Man muss, so Saar, Macht eben auch als Kommunikationsmedium denken, in dem positive und negative Aspekte zusammenfallen können. Letztendlich ist es für Saar dann die Demokratie, die diesen Spagat zwischen positiv und negativ, das heißt zwischen Emanzipation und Unterdrückung, am besten organisieren kann: „Demokratie hat und braucht keinen anderen Grund als sich selbst“ (396 f.). Die genauen Effekte eines solchen neuen Vokabulars für das Reden über Macht lassen sich laut Saar nicht genau abschätzen. Deutlich wird aber die Notwendigkeit einer solchen Grundlagentheorie über die Vielschichtigkeit faktisch wirkender sozialer Machtverhältnisse.
Florian Geisler (FG)
B. A., Politikwissenschaftler, Student, Goethe Universität Frankfurt am Main.
Rubrizierung: 5.325.42 Empfohlene Zitierweise: Florian Geisler, Rezension zu: Martin Saar: Die Immanenz der Macht. Frankfurt a. M.: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/36218-die-immanenz-der-macht_43829, veröffentlicht am 26.09.2013. Buch-Nr.: 43829 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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