Der erste des auf zwei Bände angelegten Werkes unternimmt den Versuch, den komplexen Sachverhalt aus vier verschiedenen Perspektiven zu beleuchten: Er versammelt Belege für die Praktiken der unmittelbaren Täter, für die ideologische Unterstützung durch die Eliten, für die gleichgültige Haltung zur Ausgrenzung durch die breite Bevölkerung und für die sehr unterschiedlichen Reaktionen der jüdischen Opfer. Beeindruckend ist hierbei die Differenziertheit in der Analyse, fernab der "Gesamtschuldthese" Goldhagens, immer bemüht auch um Belege für abweichendes, couragiertes Verhalten von Einzelnen, ohne dabei jedoch die zumindest passive Akzeptanz der Diskriminierung durch die allermeisten Deutschen zu verwischen. Auffällig ist die im Vergleich zu den meisten wichtigen jüngsten Arbeiten zur Geschichte der Judenverfolgung starke Betonung der Rolle Adolf Hitlers bei der Radikalisierung der Maßnahmen gegen die Juden. Zur Erklärung des antijüdischen Affekts als Triebfeder des ideologischen Fanatismus bei Hitler und so vielen anderen entwickelt der Autor den Begriff "Erlösungsantisemitismus" (87-128). Stilistisch funktioniert das Buch als Collage von fundierter Aufbereitung des aktuellen Forschungsstandes, in die Hunderte von Einzelerinnerungen und anekdotische Passagen vom drastischen "Alltag" der zunehmenden Verfolgung eingeflochten sind. Die dadurch zutage tretende Binnensicht der Betroffenen, mit allen rückblickend verharmlosenden Einschätzungen der eigenen Lage, wirkt sehr bereichernd als Korrektiv zu vorschnellen Urteilen aus heutiger Sicht. Es ist auch diese Vielschichtigkeit in der Darstellungsform, die dem Buch nun schon von mehreren Seiten das Lob eingebracht hat, es sei das momentan beste Buch über diesen Gegenstand (George L. Mosse, Ulrich Herbert).