/ 04.06.2013
John R. Searle
Die Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Zur Ontologie sozialer Tatsachen. Deutsch von Martin Suhr
Reinbek: Rowohlt 1997; 249 S.; 24,90 DM; ISBN 3-499-55587-5Eines der Grundprobleme, dem sich der seit 1959 in Berkeley an der University of California lehrende Sprachphilosoph in den meisten seiner bisherigen Arbeiten widmete, ist das Verhältnis der durch Geistes- und Naturwissenschaften beschriebenen Phänomene, der "verschiedenen Teile der Welt zueinander" (7). Searle sieht keinen Gegensatz zwischen Geist und Natur, Kultur und Biologie, sondern ein "Kontinuum von der Chemie der Neurotransmitter [...] bis zum Inhalt geistiger Zustände" (235 f.). Gleichwohl sind geistige Zustände an "Bewußtseinszugänglichkeit" gebunden, ebenso wie kollektives menschliches Verhalten und sein Ausdruck in institutionellen Strukturen die "spezielle Eigenschaft" des Symbolismus aufweisen (236). "Wie kann es eine objektive Welt des Geldes, des Eigentums und der Ehe, von Regierungen, Wahlen, Footballspielen, Cocktailparties und Gerichtshöfen geben in einer Welt, die gänzlich aus physischen Teilchen in Kraftfeldern besteht [...]?" (7) Searle stellt die Konstruktion einer objektiven gesellschaftlichen Wirklichkeit mit den Hilfsmitteln der maßgeblich von ihm erarbeiteten Sprechakttheorie dar. Trotz der verblüffenden Komplexität unserer alltäglichen Handlungen scheinen gesellschaftliche Institutionen letztlich durch nichts anderes aufrechterhalten zu werden als "durch Formen menschlicher Übereinkunft" (236).
Die Analyse der logischen Struktur institutioneller Tatsachen entbehrt keineswegs ihres Praxisbezugs, Anschaulichkeit vermitteln nicht nur "scheinbar naive" (41) Beispiele; Searle sensibilisiert für die Wahl sprachlicher Ausdrücke, mit denen wir gesellschaftlichen Tatsachen bestimmte Statusfunktionen zuweisen: "Vielleicht entwickeln wir ja nach Vietnam und dem Golfkrieg in Analogie zur eheähnlichen Gemeinschaft eine Institution der kriegsähnlichen Aktion." (99)
Inhalt: 1. Die Bausteine der gesellschaftlichen Wirklichkeit; 2. Die Schaffung institutioneller Tatsachen; 3. Sprache und gesellschaftliche Wirklichkeit; 4. Die allgemeine Theorie institutioneller Tatsachen. Teil I: Iterierung, Interaktion und logische Struktur; 5. Die allgemeine Theorie institutioneller Tatsachen. Teil II: Schaffung, Aufrechterhaltung und Hierarchie; 6. Hintergrundfähigkeiten und die Erklärung gesellschaftlicher Erscheinungen; 7. Existiert die wirkliche Welt? Teil I: Angriffe auf den Realismus; 8. Existiert die wirkliche Welt? Teil II: Kann es einen Beweis für den externen Realismus geben?; 9. Wahrheit und Korrespondenz.
Andreas Eis (AE)
Jun.-Prof. Dr., Didaktik des politischen Unterrichts und der politischen Bildung, Institut für Sozialwissenschaften Oldenburg, Fakultät I.
Rubrizierung: 5.2 | 5.42
Empfohlene Zitierweise: Andreas Eis, Rezension zu: John R. Searle: Die Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Reinbek: 1997, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/4956-die-konstruktion-der-gesellschaftlichen-wirklichkeit_6530, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 6530
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Jun.-Prof. Dr., Didaktik des politischen Unterrichts und der politischen Bildung, Institut für Sozialwissenschaften Oldenburg, Fakultät I.
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