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/ 11.12.2014
Erik M. Conway / Naomi Oreskes

Die Machiavellis der Wissenschaft. Das Netzwerk des Leugnens

Weinheim: Wiley-VCH 2014 (Erlebnis Wissenschaft); XXV, 363 S.; hardc., 24,90 €; ISBN 978-3-527-41211-2
Machiavellismus bezeichnet die politische Lehre, die der Machtpolitik den Vorrang vor der Moral gibt. Dieser Ansatz findet sich auch in der Wissenschaft, wo einige Forscher anerkannte wissenschaftliche Tatsachen wie den Klimawandel, die Existenz des sauren Regens oder die gesundheitliche Gefahr des Rauchens leugnen, Informationen manipulieren und damit erschreckend erfolgreich sind. Allerdings ist der englische Originaltitel „Merchants of Doubt“ (Händler des Zweifels) zutreffender, denn darum geht es: Zweifel säen, andere Wissenschaftler diskreditieren, wissenschaftliche Debatten als nicht abgeschlossen präsentieren, um so politische Maßnahmen, beispielsweise gegen das Rauchen oder die Umweltverschmutzung, zu verhindern. „Die wissenschaftlichen Zweifel müssen aufrecht erhalten werden“ (7), erklärte ein PR‑Berater der Tabakindustrie in den 1950er‑Jahren. Daran halten sich verschiedene Branchen seither. So wurde die „alte Tabakstrategie der Anfechtung und Ablenkung“ (156) in den 1980er‑Jahren in der Diskussion um das Ozonloch genutzt, was zu einer Scheindiskussion führte, „mit der die Wissenschaftler die nächsten zehn Jahre kämpfen mussten“ (156). Diese Infragestellung von wissenschaftlichen Informationen ist politisch motiviert, wobei die Öffentlichkeit nicht direkt, sondern durch die Massenmedien beeinflusst wird. Diese wurden immer wieder zur Ausgewogenheit bei der Berichterstattung gedrängt und an die „Fairness‑Doktrin“ (60) erinnert, wonach die Darstellung unterschiedlicher Ansichten gewährt werden soll. Das führt allerdings dazu, dass auch unwissenschaftliche und teils bereits lange widerlegte Behauptungen Einzelner prominent in Massenmedien vorkommen. So wurde der US‑amerikanischen Öffentlichkeit beispielsweise erklärt, „dass die Ozonschicht in Ordnung sei und die ,Panikmacher‘ falsch lägen“ (139). Nicht nur in der Öffentlichkeit verfingen diese Methoden, sie hatten sogar Einfluss auf das Weiße Haus. So war während der Reagan‑Ära in den 1980er‑Jahren „der saure Regen fast so verboten […] wie die Klimaerwärmung unter George W. Bush“ (89). Dies alles beschreiben die Autoren überaus kenntnisreich, aber teils etwas sehr ausführlich. Außerdem hätten dem Buch eine bessere Übersetzung und ein sorgfältiges Lektorat sehr gut getan.
{FH}
Rubrizierung: 2.642.242.2634.455.2 Empfohlene Zitierweise: Falk Hartig, Rezension zu: Erik M. Conway / Naomi Oreskes: Die Machiavellis der Wissenschaft. Weinheim: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/37890-die-machiavellis-der-wissenschaft_46239, veröffentlicht am 11.12.2014. Buch-Nr.: 46239 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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