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/ 19.06.2013
Werner Köster

Die Rede über den "Raum" Zur semantischen Karriere eines deutschen Konzepts

Heidelberg: Synchron 2002 (Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte 1); 258 S.; brosch., 34,80 €; ISBN 3-935025-06-8
Der an der Universität Hagen lehrende Literatur- und Medienwissenschaftler hält die seit den 90er-Jahren in Deutschland zu beobachtende „Renaissance" der „Geopolitik" nur zu einem kleineren Teil für eine tatsächliche „Rückkehr zum Ideologem des Raumes" (237). Vielmehr gehörte diese Art geopolitischer Denkmuster trotz aller Versuche ihrer Wiederbelebung „weitgehend der Vergangenheit an"; sie finden „mit dem Ende der Naziherrschaft eine klare zeitliche Begrenzung" (235). Gleichwohl gibt es „Arkanbereiche", in denen sie weiterwirken, etwa im Bereich der „militärischen Führung und Ausbildung" - bliebe zu ergänzen: in der Polizei (Kriminologie) - oder insbesondere im „Bereich der politischen und ökonomischen Macht" (233). Im letzteren Falle geschieht dies jedoch unter neuen, zum Teil kulturalistischen Etiketten, wenn beispielsweise von „Kulturkreisen" im Sinne einer geschlossenen politischen Einheit gesprochen wird. Kösters Analyse einschlägiger Texte der „Raumideologie" erhellt gerade in dieser Hinsicht die theoretischen Grundlagen: Er zeigt - unter besonderer Berücksichtigung des Streits von Geografie und Soziologie um die Definitionshoheit -, wie die „Rede vom Raum" in den verschiedenen Spezialdiskursen bis hin zu den literarischen und politisch-juristischen Konzepten bei Ernst Jünger beziehungsweise Carl Schmitt geführt wurde. Er fragt danach, „wann und wo der ‚Raum' in politischer Absicht zur eigenständigen Autorität sprachlich verselbständigt und argumentativ aufgerüstet wurde, in welche Bereiche sich die mit dem Begriff verbundenen Argumentationsfiguren und typischen Redeweisen ausgebreitet [...] und welche Funktion diese Konzepte für die Ideologie gehabt haben" (13). Seine Analyse verharrt aber nicht in der ideengeschichtlichen Perspektive; Köster geht es vielmehr um das „Philosophische der Ideologie" (13). Die Arbeit schließt daher endlich eine Lücke in diesem Bereich politikwissenschaftlicher Theorieforschung. Aus dem Inhalt: 1. Einleitung 1.1 „Aus dem Wörterbuch des Unmenschen" 1.6 Inhaltüberblick: Der epistemologische Überbau der Raumideologie 2. Die Problematik der Vorgeschichte 2.1 Die Metaphorik des „Raumes" 2.2 Das historische Apriori geographischer Gegebenheiten 3. Friedrich Ratzel - Anthropogeographie, dynamisierter Geodeterminismus, Imitato scientiae 4. Die Geographie als Paradigma politischer Theorie 5. Die Entsubstantialisierung des Raumes 5.1 Ökonomie und Staatsrecht 5.2 Georg Simmels Soziologie - Realabstraktion und Entmystifizierung 6. Streit der Fakultäten - soziologische versus geographische Diskursivierung des Raumes 6.1 Durkheims Ratzel-Rezeption 6.2 Simmelrezeption in der Durkheim-Schule 7. „Raumüberwindende Mächte" und dämonisierter „Raum" 8. Der „Raum" der deutschen Geopolitik 8.1 Geopolitik als Diskurs 8.3 Einschlägige geopolitische Wendungen 8.4 Der epistemologische Überbau der Geopolitik 8.5 Geopolitische Weltbildkonstruktion 9. Nachbardiskurse der Geopolitik 9.1 „Raum" und „Geist" 9.2 „Raum" und „Reich" 9.3 Der „Raum" des Tatkreises 9.4 Der organisch konstruierte Raum 9.5 Der „Raum" in der Staat- und Völkerrechtstheorie 10. Nach dem Ende der semantischen Karriere
Robert Chr. van Ooyen (RVO)
Dr., ORR, Hochschullehrer für Staats- und Gesellschaftswissenschaften, Fachhochschule des Bundes Lübeck; Lehrbeauftragter am OSI der FU Berlin sowie am Masterstudiengang "Politik und Verfassung" der TU Dresden.
Rubrizierung: 2.312.3125.46 Empfohlene Zitierweise: Robert Chr. van Ooyen, Rezension zu: Werner Köster: Die Rede über den "Raum" Heidelberg: 2002, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/20477-die-rede-ueber-den-raum_23869, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 23869 Rezension drucken
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