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/ 17.06.2013
Robert Kriechbaumer / Franz Schausberger (Hrsg.)

Die umstrittene Wende. Österreich 2000-2006

Wien/Köln/Weimar: Böhlau Verlag 2013 (Schriftenreihe des Forschungsinstituts für politisch-historische Studien der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek 43); 848 S.; 29,50 €; ISBN 978-3-205-78745-7
„Zum Teil waren es die Akteure von damals selbst, die nach Abstand von einem Jahrzehnt auf die teilweise dramatischen Geschehnisse zurückblickten, woraus freilich eine implizite oder auch explizite Positionierung der Selbst‑Rechtfertigung resultierte“ (331), schreibt der Historiker Peter Stachel über die allgemeine Literaturlage zur Ära des früheren österreichischen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel – was eine unfreiwillige Ironie darstellt, ist doch dieses Werk eine einzige Selbstrechtfertigung der ehemaligen Regierungsparteien. Der Politologe Robert Kriechbaumer und der frühere ÖVP‑Landeshauptmann Franz Schausberger haben einen Sammelband herausgegeben, mit dem eine Selbstverteidigung des Schüssel‑Lagers beginnt, die mehr an Hofberichterstattung als an wissenschaftliche Arbeit erinnert. Auf knapp 800 Seiten Fließtext und in über zwanzig Kapiteln werden die verschiedenen Policy‑Bereiche aufgeschlüsselt und als Erfolgsmodelle gepriesen. Dazu kommen über dreißig Seiten inszenierter Bilder und zum Schluss ein fast 50 Seiten umfassendes Gefälligkeitsinterview, in dem Wolfgang Schüssel – fleißig von den Interviewpartnern unterstützt – seine Politik noch ein letztes Mal ohne kritische Gegenfragen loben kann. „Österreichs Erfolg heißt Wolfgang Schüssel“ (746), jubiliert Schüssels ehemaliger Mitarbeiter Walter Reichel. In Ermangelung wissenschaftlicher Argumente verweisen die Autoren auf Wikipedia und Semesterarbeiten von Bachelorstudenten. Zusätzlich verstricken sich die Autoren in unbedeutende Details wie die Organisation der Bezirksgerichte in Graz – verschweigen aber auf den knapp 900 Seiten konsequent den wichtigsten Aspekt, der in Österreich heute das Bild der Regierungszeit 2000 bis 2006 prägt: die ausufernde Korruption. Mehrere Minister aus dieser Zeit sind angeklagt oder sitzen bereits im Gefängnis – eine Tatsache, die in dem Buch unerwähnt bleibt. Somit gerät das Werk zu einer einzigen Verteidigungsschrift, die den Betroffenen aber durch die plumpe Art der Argumentation einen Bärendienst erweist.
Vincent Wolff (VW)
Student der Politikwissenschaft, Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie, Universität Bonn.
Rubrizierung: 2.42.212.222.232.2622.2633.74.22 Empfohlene Zitierweise: Vincent Wolff, Rezension zu: Robert Kriechbaumer / Franz Schausberger (Hrsg.): Die umstrittene Wende. Wien/Köln/Weimar: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/14887-die-umstrittene-wende_41151, veröffentlicht am 18.04.2013. Buch-Nr.: 41151 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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