Balzer, Professor für Wissenschaftstheorie an der Universität München, legt ein Lehrbuch vor, das der strukturalistischen Richtung der Wissenschaftstheorie verpflichtet ist. Der wissenschaftstheoretische Strukturalismus, auch non-statement view genannt, wurde von Sneed und Stegmüller entwickelt und der traditionellen, als Aussagenkonzeption bezeichneten Auffassung der Wissenschaftstheorie gegenübergestellt. Die Grundidee des Strukturalismus lautet: Eine wissenschaftliche Theorie ist kein System von Aussagen über einen bestimmten Gegenstandsbereich, sondern nur eine Struktur (oder ein Schema), von der zunächst völlig offen ist, auf welchen Gegenstand sie sich anwenden läßt. Erst die Erfahrung zeigt, ob eine Struktur tatsächlich auf einen bestimmten Gegenstandsbereich angewendet werden kann. Nichtanwendbarkeit bedeutet keine Falsifikation der Theorie, sondern nur, daß manche Gegenstandsbereiche nicht zu deren intendierten Anwendungen gehören. Die Theorien selbst - als Strukturen - sind dagegen nicht empirisch prüfbar und gegen Falsifikationen immun. Sie stellen lediglich Werkzeuge dar, von denen man nicht sagen kann, sie seien wahr oder falsch. Balzer stellt den Strukturalismus in vier Kapiteln (Soziales, Strukturen, Daten, Methoden) ausführlich dar. Neben Beispielen aus der Naturwissenschaft versucht er auch die Sozialwissenschaften angemessen zu berücksichtigen. Das Buch ist als einschlägige Darstellung der strukturalistischen Wissenschaftstheorie für philosophisch Interessierte brauchbar, wobei allerdings nicht nur die Auseinandersetzung mit konkurrierenden Positionen fehlt, sondern nicht einmal klar gesagt wird, daß es sich hier um eine spezielle wissenschaftstheoretische Auffassung neben anderen handelt. Auch darf man keine praktische Methodenlehre erwarten. Ob das Buch für Einsteiger in die Wissenschaftstheorie geeignet ist, muß daher bezweifelt werden.