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/ 03.06.2013
Anke Houben

Die zivilisatorische Staatengesellschaft. Zivilisation und internationale Politik im Nahen Osten. Mit einem Vorwort von Bassam Tibi

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 1996 (Europäische Hochschulschriften: Reihe XXXI, Politikwissenschaft 311); XI, 365 S.; 98,- DM; ISBN 3-631-30523-0
Diss. Fachbereich Sozialwiss. Göttingen; Erstgutachter: B. Tibi. – Von Huntingtons "clash of civilizations", vor allem aber von Tibis These der Gleichzeitigkeit von Globalisierung und Fragmentierung inspiriert verfolgt Houben ein doppeltes Anliegen: Zunächst geht es ihr um die Weiterentwicklung der Theorie internationaler Politik jenseits der engen Erklärungsgrenzen von Idealismus und (Neo-)Realismus. Das in diesem Kontext entwickelte alternative Erklärungsmodell soll in einem zweiten Schritt einer empirischen Überprüfung am Beispiel der arabo-islamischen Staatengesellschaft unterzogen werden. Im theoretischen Teil der Studie legt die Autorin ausgehend von den Schriften Hedley Bulls das Konzept der zivilisatorischen Staatengesellschaft dar. Demnach zeichnet sich das internationale System durch eine formale Globalisierung des europäischen Staatensystems aus, ohne daß in diesem Prozeß eine genuine Universalisierung erreicht worden ist. Die arabische Staatengesellschaft als Gegenstand des empirischen Teils bietet ein Exemplum für die ausgebliebene Universalisierung und die Persistenz zivilisationsspezifischer politischer Handlungsmuster in der Moderne. Die Studie belegt, daß die (nach Bulls) für die europäische Staatengesellschaft prägenden Ziele der Erhaltung des Staatensystems, der Achtung der nationalen Souveränität und des Primats der friedlichen Konfliktregulierung in der arabischen Welt keine Akzeptanz gefunden haben. Der Panarabismus als Infragestellung des aktuellen Staatensystems, die Instrumentalisierung der Kurden und Schiiten durch auswärtige Staaten und die Friedensverweigerung der arabischen Staaten vis-à-vis Israel bieten dafür umfangreiches Anschauungsmaterial. Gerade die Engführung der Perspektive bei der Analyse des (mutig zum bloßen Reflex der innerarabischen Auseinandersetzungen erklärten) arabisch-israelischen Konflikts auf die Lernunfähigkeit arabischer Akteure verdeutlicht im Lichte der Entwicklungen seit Oslo die Grenzen des Erklärungsmodells. Houbens gegen Idealismus und Realismus erhobener Vorwurf der mangelnden Differenzierung läßt sich hier gegen sie selbst wenden. Nichtsdestoweniger stellt die Arbeit einen gewichtigen, gleichermaßen fundierten wie innovativen Beitrag zur Theorie der internationalen Politik nach (und mit Abstrichen auch während) der Blockkonfrontation sowie zu den zwischenstaatlichen Beziehungen in der arabischen Welt dar.
Michael Edinger (ME)
M. A., wiss. Mitarbeiter, Sonderforschungsbereich 580, Universität Jena (www.uni-jena/svw/powi/sys/edinger.html).
Rubrizierung: 2.634.414.1 Empfohlene Zitierweise: Michael Edinger, Rezension zu: Anke Houben: Die zivilisatorische Staatengesellschaft. Frankfurt a. M. u. a.: 1996, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/2916-die-zivilisatorische-staatengesellschaft_3823, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 3823 Rezension drucken
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