/ 02.10.2014
Arne Næss
Die Zukunft in unseren Händen. Eine tiefenökologische Philosophie. Überarbeitet und herausgegeben von David Rothenberg. Aus dem Englischen von Christian Quatmann
Wuppertal: Peter Hammer Verlag 2013; 355 S.; geb., 28,- €; ISBN 978-3-7795-0376-7Der auf den norwegischen Philosophen Arne Naess zurückgehende Begriff der Tiefenökologie und seine dahinter stehenden philosophischen Reflexionen zielen darauf ab, die wegen der Auswirkungen kapitalistischer Wirtschafts‑ und Wachstumsimperative in globalem Maßstab erforderlichen ökologischen Korrekturen als politische Imperative zu denken. Naess’ hierfür einschlägige Arbeiten und die damit verbundenen Beobachtungen gehen auf die 1970er‑Jahre zurück – und sind auch gegenwärtig noch hochaktuell: „So wird sich“, schreibt er, „die Verschlechterung der Umweltsituation ungeachtet der zunehmenden Sensibilisierung für dieses Problem in den nächsten Jahren wohl unvermindert fortsetzen. Offenbar muss alles erst noch schlechter werden, bevor es besser wird“ (345). In produktiver Wendung dieser fast schon resignativen Beschreibung menschlicher Handlungsverweigerung, noch dazu wider besseres Wissen, entwickelt Naess seine Ökosophie, die auf einem interaktiven Zusammenhang menschlicher Existenz und der Umwelt gründet. Dabei werden menschliche Zugänge zur Umwelt – wörtlich das, was uns umgibt – radikal pluralistisch verstanden, weil in der sprachlichen Beschreibung zwar gleiche Worte verwendet würden, damit aber keineswegs gleiche oder auch nur ähnliche Assoziationen einhergingen. Beiden Welten, der menschlichen wie auch der nicht‑menschlichen, sei eine so unbeschreibliche Komplexität zu eigen, dass beide als gleichberechtigte Existenzformen betrachtet werden müssten. Diese Einsicht findet ihren Niederschlag im ersten der Grundelemente tiefenökologischer Programmatik: „Die Entfaltung menschlichen und nicht‑menschlichen Lebens auf der Erde ist ein Wert an sich.“ (54) Ist die Entfaltung einer der beiden Lebensformen bedroht, ist die politische – also eine als allgemein verbindlich vorgestellte – Intervention gefordert: „Um diese bedrohliche Situation“ – gemeint ist die rasante Zerstörung des globalen Ökosystems – „positiv zu verändern, bedarf es einer neuen Politik, die dem von unserem konsum‑ und profitorientierten Wirtschaftssystem begünstigten Raubbau an der Natur Einhalt gebietet.“ (55) Im Zeitalter der globalen Hegemonie des Neoliberalismus dürfte diese überaus berechtigte Forderung nicht mehr sein als ein frommer Wunsch, zum Schluss noch begleitet von Hoffnung: „Ein mit einzigartigen Geistesgaben ausgestatteter Teil dieser Ökosphäre“ – gemeint ist die Menschheit – „wird sich am Ende nicht als deren ewiger Feind erweisen.“ (348) – Wird sie nicht?
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Rubrizierung: 5.42 | 2.261
Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Arne Næss: Die Zukunft in unseren Händen. Wuppertal: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/37603-die-zukunft-in-unseren-haenden_42223, veröffentlicht am 02.10.2014.
Buch-Nr.: 42223
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