Die Journalistin Jochimsen, die 2002 in Wien die Theodor-Herzl-Dozentur für Poetik des Journalismus übernommen hat, beschreibt das Leben des 1904 verstorbenen Herzls, auf dessen Idee eines Judenstaates die Gründung Israels zurückgeht, im Kontext der Gegenwart. Die Autorin zeichnet ein Leben nach, das unter dem starken Eindruck des Antisemitismus stand. Herzl, in Budapest in eine wohlhabende Familie hineingeboren, blieb nach dem erfolgreichen Jurastudium in Wien das Richteramt versperrt. Als Journalist erlebte er in Paris die Dreyfus-Affäre, die ihm ebenso wie die Pogrome in Osteuropa und Russland deutlich vor Augen führten, dass die Juden dauerhaft mit Ausgrenzung und Gewalt würden leben müssen. Sein Leben sei allerdings eines „der gescheiterten Versuche" (188) gewesen, so Jochimsen. Unermüdlich hatte er jahrelang u. a. in Konstantinopel, London, Wien und Paris versucht, die Mächtigen von seiner Idee eines Judenstaates zu überzeugen - ohne greifbaren Erfolg. Auch wird deutlich, dass Herzl in einer entscheidenden Hinsicht von falschen Voraussetzungen ausgegangen war: Er träumte die Gründung eines Judenstaates in einem praktisch menschenleeren Land (wobei Herzl nicht auf Palästina festgelegt war, er konnte sich eine Staatsgründung auch in Lateinamerika oder Afrika vorstellen). Im letzten Kapitel hat Jochimsen diesen Irrtum durch eine Collage aus Tagebucheintragungen Herzls von 1904 und Zeitungsartikeln von 2004 über den Nahost-Konflikt veranschaulicht, ergänzt mit aktuellen Meldungen über den fortdauernden Antisemitismus in Europa.