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/ 05.02.2015
Johannes Angermüller / Martin Nonhoff / Eva Herschinger / Felicitas Macgilchrist / Martin Reisigl / Juliette Wedl / Daniel Wrana / Alexander Ziem (Hrsg.)

Diskursforschung. Ein interdisziplinäres Handbuch. Band 1: Theorien, Methodologien und Kontroversen. Band 2: Methoden und Analysepraxis. Perspektiven auf Hochschulreformdiskurse

Bielefeld: transcript Verlag 2014 (DiskursNetz 1); 686, 573 S.; 44,99 €; ISBN 978-3-8376-2722-0
Das neue Standardwerk zur Diskursforschung verortet sich in etwa in der Mitte zwischen der methodologisch orientierten Wissenssoziologischen Diskursanalyse und dem eher politischen Programm der Kritischen Diskursanalyse. Das Ziel des umfangreichen Doppelbandes ist ein dreifaches: Es sollen sowohl erstens alle wichtigen Anwendungsfelder in der ganzen Breite ihrer Facetten dar‑, als auch zweitens anhand all ihrer internen Diskussionen und Reibungspunkte gegeneinandergestellt werden. Drittens sollen diese unterschiedlichen Perspektiven an einem einzigen empirischen Gegenstand – dem neueren Hochschulreformdiskurs in der Bundesrepublik – hinsichtlich ihrer Methodik vorgeführt und auf diese Weise vergleichbar gemacht werden. Sowohl diese Entscheidung zur Monothematik als auch die Abwesenheit einer klaren Systematisierung rücken die beiden Bände eher in die Position einer Enzyklopädie der Diskursforschung denn in die Rolle eines Handbuchs im klassischen Sinne zur ständigen Verwendung im konkreten Forschungsprozess. Die versuchte Serialisierung der Forschungsfelder und Themen soll zwar Nähe und Austausch zwischen den Strängen befördern, erzeugt aber auch eine ganz eigene Art von diskursiver Isolation: So werden zwar mit fast jedem Beitrag aufs Neue die Relevanz der Diskursanalyse gerechtfertigt sowie Probleme und Defizite aufgelistet, aber nur selten werden diese dann auch tatsächlich ausgebreitet. Beispielsweise beziehen sich Johannes Angermüller und Juliette Wedl einerseits affirmativ auf die „kommunikative Wende in der Kritischen Theorie und in der Systemtheorie“ (165), die schließlich den Grund für die moderne diskurstheoretische Entwicklung den Boden bereitet habe, und bleiben auch andererseits die Erwähnung von Habermas‘ Vorwurf der „vermeintlich jungkonservativen Tendenzen“ (167) bei den frühen philosophischen Protagonisten der Diskursanalyse nicht schuldig. Worin diese Vorwürfe aber genau bestehen, mit denen die Diskurstheorie nach wie vor allseits konfrontiert ist, ob sie überhaupt gerechtfertigt sind, wie neuere Ansätze mit diesen Problemen umgehen oder wo genau denn die tatsächlichen Grenzen der Methode liegen, wird im Weiteren nicht mehr thematisiert. Der großen Herausforderung der Sozialtheorie im Allgemeinen, nämlich der eigenwilligen Asymmetrie zwischen materiellen und diskursiven Aspekten moderner Vergesellschaftung, wird insgesamt nur sehr wenig begegnet.
{FG}
Rubrizierung: 5.11.2 Empfohlene Zitierweise: Florian Geisler, Rezension zu: Johannes Angermüller / Martin Nonhoff / Eva Herschinger / Felicitas Macgilchrist / Martin Reisigl / Juliette Wedl / Daniel Wrana / Alexander Ziem (Hrsg.): Diskursforschung. Bielefeld: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/38053-diskursforschung_46488, veröffentlicht am 05.02.2015. Buch-Nr.: 46488 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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