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/ 04.06.2013
Gudrun Schwarz

Eine Frau an seiner Seite. Ehefrauen in der "SS-Sippengemeinschaft"

Hamburg: Hamburger Edition 1997; 304 S.; geb., 58,- DM; ISBN 3-930908-32-8
Bis heute gilt bei der Erforschung der nationalsozialistischen Verbrechensgeschichte das Hauptaugenmerk selektiv den männlichen Tätern - der Nationalsozialismus wird als extreme Männerherrschaft beschrieben. Nachdem Frauen sich lange Zeit selbst als unschuldige Opfer der Verhältnisse stilisierten und auch im Rahmen der Forschung allenfalls als Opfer des antifeministisch und patriarchal organisierten NS-Staates in den Blick gerieten, wurde dieser Perspektive erst seit Mitte der achtziger Jahre Kritik zuteil. Zunehmend widmete sich die Frauenforschung dem realen Alltagsleben und dem Verhalten von Frauen, wurde ihre aktive Beteiligung an den Verbrechen des Nationalsozialismus untersucht. Das Buch der Soziologin Schwarz ist als Beitrag zu dieser Debatte zu verstehen: Bis heute gilt die SS als Männerorden par excellence - ungeachtet zahlreicher Belege für Himmlers Pläne, die SS als Sippengemeinschaft zu organisieren, die den Traum von der Erschaffung einer neuen "germanisch-nordischen Rasse" realisieren helfen sollte. Die Mitwirkung auch der Frauen schien ihm dafür unabdingbar. So bestimmte sein 1931 erlassener "Verlobungs- und Heiratsbefehl", daß SS-Männer nur Frauen heiraten durften, die sich freiwillig der geforderten rassischen und politischen Überprüfung unterzogen, und die sich dazu bereit erklärten, im Sinne Himmlers auf ihr soziales Umfeld einzuwirken. Schwarz untersucht exemplarisch Lebensläufe von Ehefrauen von SS-Männern und belegt, wie diese rassistische Denkmuster bereitwillig übernahmen und nicht nur still duldeten, daß Unrecht begangen wurde, sondern als Zuschauerinnen, Mittäterinnen und Täterinnen aktiv mitwirkten: "Beteiligt waren sie durch den emotionalen Beistand, den sie ihren Männern während ihrer Besuche an deren 'Arbeitsplatz' gaben, ferner dadurch, daß sie dort wohnten und aktiv am System der Verfolgung und Beraubung teilnahmen. Am bürokratischen Vernichtungsapparat waren Ehefrauen durch ihre Mitarbeit als Angestellte in der SS-Verwaltung beteiligt. Als Aufseherin in den Konzentrationslagern dienten sie direkt und unmittelbar dem System." (281)
Julia Schmidt-Häuer (JSH)
Dr., Referentin im wissenschaftlichen Dienst der SPD-Bürgerschaftsfraktion in Bremen.
Rubrizierung: 2.3122.372.35 Empfohlene Zitierweise: Julia Schmidt-Häuer, Rezension zu: Gudrun Schwarz: Eine Frau an seiner Seite. Hamburg: 1997, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/3902-eine-frau-an-seiner-seite_5559, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 5559 Rezension drucken
CC-BY-NC-SA