/ 22.06.2013
Eckhard Jesse (Hrsg.)
Eine Mauer für den SED-Staat. Berlin 1961 und die Folgen
Berlin: Duncker & Humblot 2012 (Schriftenreihe der Gesellschaft für Deutschlandforschung 102); 273 S.; kart., 78,- €; ISBN 978-3-428-13905-7Auf der im März 2011 stattgefundenen 33. Jahrestagung der Gesellschaft für Deutschlandforschung diskutierten DDR‑ und Deutschlandspezialisten aus mehreren Fachrichtungen sowie Persönlichkeiten aus Politik und Bildung über das Thema „Eine Mauer für den SED‑Staat – Berlin 1961 und die Folgen“. Die Beiträge zum fünf Dekaden zurückliegenden Mauerbau hat der Tagungsveranstalter Eckhard Jesse in diesem Buch versammelt. Anita Krätzner, Mitarbeiterin der Bundesbehörde für die Stasi‑Unterlagen (BstU), widmet sich in ihrem Beitrag den unmittelbar nach dem Mauerbau stattgefundenen studentischen Protesten. Fünf Tage nach dem Beginn des Mauerbaus (18. Todestag Ernst Thälmanns) veröffentlichte die FDJ einen sogenannten Kampfauftrag, der die Verteidigungsbereitschaft der ostdeutschen Studenten wecken sollte und auf eine schleichende Einführung der Wehrpflicht abzielte. Als Reaktion darauf entstand, wie Krätzner mithilfe der Akten rekonstruieren kann, erheblicher und auf vielfältige Weise ausgedrückter studentischer Unmut, auf den der Staat mit Exmatrikulation, Verhaftungen, Parteiverfahren, Abmahnungen der Dozenten und Absetzungen von Sekretären reagierte. Auch westdeutsche Studierende empörten sich über den Mauerbau und den direkt danach veröffentlichten Kampfauftrag, beispielsweise in Zeitungserklärungen sowie Protestschreiben an Rektoren in der DDR und das Staatssekretariat für Hoch‑ und Fachschulwesen oder in Sondersitzungen der StuPa und des Verbands der Studierendenschaft. Krätzner spricht deswegen zurecht von einer „Solidarität mit den ostdeutschen Kommilitonen“ (126). Manfred Wilke, Mitbegründer und ehemaliger Leiter des Forschungsverbundes SED‑Staat, stellt die Gedenkstätte Berliner Mauer vor und erläutert ihre Notwendigkeit, aber auch den schwierigen Weg ihrer Entstehung. Er begreift Gedenkstätten als „Kristallisationskerne staatlich geförderter demokratischer Erinnerungskultur“ (149), die von den jüngeren Generationen vorrangig als Lernorte genutzt werden müssten. In seinem Artikel erklärt Wilke außerdem das Gedenkstättenkonzept, in dem das aufgrund der deutschen Geschichte nachvollziehbare Paradigma des Diktaturenvergleichs vorherrschend ist. Aufgrund dieses Denkmusters kann jedoch das für die Gedenkstätte Berliner Mauer so wichtige Kapitel „Teilung und Grenze“ nicht berücksichtigt werden, was Wilke als eine konzeptionelle „Lücke“ (157) im Gedenkstättenkonzept charakterisiert.
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.314 | 2.313 | 2.35
Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Eckhard Jesse (Hrsg.): Eine Mauer für den SED-Staat. Berlin: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/35557-eine-mauer-fuer-den-sed-staat_42899, veröffentlicht am 07.02.2013.
Buch-Nr.: 42899
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M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
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