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/ 10.12.2015
Ingrid Gilcher-Holtey (Hrsg.)

Eingreifende Denkerinnen. Weibliche Intellektuelle im 20. und 21. Jahrhundert

Tübingen: Mohr Siebeck 2015; 251 S.; geb., 54,- €; ISBN 978-3-16-153650-2
In dem Manifest „Die Lust Frau zu sein“ ruft die italienische Kunsthistorikerin und Feministin Carla Lonzi zur Differenz auf und stellt die herrschende – männliche – Ordnung radikal infrage. Laut Ingrid Gilcher‑Holtey zählt Lonzi zum Typus ‚eingreifender Denkerinnen‘ (Titel). Als weibliche Intellektuelle nimmt Lonzi eine spezifische Deutung ihrer Umwelt vor und sie fordert dazu auf, sich in herrschende Debatten einzumischen. Der Frage, welche Formen intellektuellen Engagements Frauen wählen und ob daraus ein weiblicher Typus ableitbar ist, lässt sich an ihr beispielhaft nachgehen. Bei den anderen der insgesamt vierzehn Protagonistinnen – von Käthe Kollwitz über Erika Mann und Simone de Beauvoir bis hin zu Yoko Ono, Susan Sonntag oder Naomi Klein – wird die spezifisch weibliche Praxis ‚eingreifenden Denkens‘ mitunter weniger deutlich. Die Herausgeberin gibt ein Schema intellektuellen Engagements vor (vom Typus des allgemeinen Intellektuellen nach dem Vorbild von Émile Zola über den öffentlichen Intellektuellen nach Ralf Dahrendorf, den spezifischen Typus nach Michel Foucault, den kollektiven Intellektuellen nach Pierre Bourdieu bis hin zum Bewegungsintellektuellen), das als Instrumentarium dient, um anhand dieser Praktiken und Wahrnehmungen weibliche Rollenmuster zu erarbeiten. Jene Leitlinien offerieren eine gute argumentative Orientierung, wirken bisweilen jedoch ein wenig starr. Die These Gilcher‑Holteys, bisherige Studien klammerten Frauen als Intellektuelle aus, mag einerseits – unter anderem angesichts der vielfältigen Literatur zu Hannah Arendt – verwundern, andererseits bleibt die darin transportierte Frage, wie intellektuelles Engagement analytisch umschrieben werden kann, bestehen: Mit welchen Worten besetzen die Protagonistinnen den öffentlichen Raum und welche Deutungskämpfe tragen sie dort aus? Daran zeigt sich die Konstruktion von Rollen und Modellierungen. Die Frage nach dem Geschlecht der Intellektuellen wird darin um jene nach ihren Diskussionspartnern und Vordenkern erweitert.
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Rubrizierung: 2.12.275.46 Empfohlene Zitierweise: Ellen Thümmler, Rezension zu: Ingrid Gilcher-Holtey (Hrsg.): Eingreifende Denkerinnen. Tübingen: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/39173-eingreifende-denkerinnen_47264, veröffentlicht am 10.12.2015. Buch-Nr.: 47264 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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