Die regionalgeschichtlich orientierte Untersuchung erlaubt einen detaillierten Einblick in die Praktiken der deutschen Besatzung und Organisation des Judenmordes. Sandkühler zeigt, daß die Judenverfolgung keineswegs auf einem fertigen Konzept basierte. Anfänglich wurde auch nicht an "Vernichtung" gedacht, sondern an Umsiedlung beziehungsweise "Vernichtung durch Arbeit". Die Täter in leitenden Stellungen, vielfach gescheiterte Existenzen auf Bewährung in den eroberten Gebieten eingesetzt, bereiten mitunter den übergeordneten Behörden Schwierigkeiten: "grotesk" (81) ist es in der Tat, wie Sandkühler schreibt, wenn ein örtlicher SS-Führer ein Exekutionsverbot erhält, weil seine Mordlust selbst im Reichssicherheitshauptamt Widerstände hervorrief. In Kontrast dazu stellt Sandkühler die Bemühungen des späteren Krupp-Managers Beitz, der seit 1940 als Wirtschaftsvertreter in Polen tätig war. Beitz versucht angesichts der anlaufenden "Aktion Reinhard" Juden in der kriegswichtigen Erdölindustrie zu beschäftigen, um sie so vor dem Vernichtungslager zu retten. Trotz der betont regionalen Perspektive versteht es Sandkühler, den Zusammenhang mit der allgemeinen Forschung zur Judenverfolgung herzustellen und insofern fällt eine Einordnung sehr leicht. In einem Anhang hat der Autor eine Vielzahl biographischer Skizzen der Täter zusammengetragen, die auch einen Einblick gewähren in die Verdrängung der Judenverfolgung in der deutschen Öffentlichkeit und in der deutschen Justiz nach dem Krieg. Aus dem Inhalt: 1. Voraussetzungen und Ausgangslage: I. Vom Polenfeldzug bis zum "Unternehmen Barbarossa"; II. Der Distrikt Galizien. 2. Die "Endlösung" im Distrikt: III. Die Ingangsetzung der "Endlösung"; IV. Die "Aktion Reinhard" I: Organisation und äußerer Verlauf; V. Die "Aktion Reinhard" II: Durchführung; VI. Abschluß der "Endlösung". 3. Judenrettung: VII. "Glückauf und Heil Hitler!": Die Ausgangslage; VIII. "Rettung durch Arbeit": das Jahr 1942; IX. Selektionen und Kampf um die Juden 1943/44.