„In gewisser Hinsicht war er ein Held, in anderen entscheidenden Momenten seines Lebens machte er gravierende Fehler, und bei manchen Entscheidungen galt beides gleichzeitig.“ (287) Dieses Fazit zieht die Historikerin Walterskirchen aus der Beschäftigung mit dem Leben Dollfuß'. Er schaltete zwar als österreichischer Kanzler (von 1932 bis zu seiner Ermordung 1934) und Initiator des Ständestaates die parlamentarische Demokratie aus und bekämpfte die Sozialdemokraten bis hin zu standrechtlichen Erschießungen. Gleichzeitig aber wehrte er sich auch entschlossen gegen den Nationalsozialismus und einen Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich. Walterskirchen setzt seine Biografie zudem in Beziehung zur heutigen politischen Kultur Österreichs. Der erste Teil des Buches besteht deshalb aus Interviews mit Politikern verschiedener Parteien. Dabei wird die Kluft zwischen der SPÖ und der ÖVP deutlich, die seit der Amtszeit Dollfuß' in einer spezifischen Weise besteht: Erstere erkennt in ihm vor allem den Arbeitermörder, Letztere den Heldenkanzler. Auf die Biografie im Mittelteil folgt in Eckpunkten eine Darstellung der politischen Entwicklung Österreichs nach 1945 und ihrer Prägung durch die Angst der SPÖ, die von Dollfuß geprägten autoritären Strukturen könnten wieder aufleben. Gleichwohl sieht die Autorin die „Idee des Ständestaates, die politische Willensbildung über die Repräsentanten der Berufsstände zu erreichen statt über die Parteien, [...] in der Zweiten Republik durch die Sozialpartnerschaft [als] vollendet“ (265) an.