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/ 27.02.2014
Michel Serres

Erfindet euch neu! Eine Liebeserklärung an die vernetzte Generation. Aus dem Französischen von Stefan Lorenzer

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2013; 77 S.; 8,- €; ISBN 978-3-518-07117-5
Der französische Philosoph Michel Serres liefert mit seinem Essay eine romantisierende Darstellung der vernetzten Generation. In drei Schritten (Individuen, Schule, Gesellschaft) beschreibt er zunächst die Entwicklung der heutigen Generation und wie sie sich von ihren Vorfahren unterscheidet. Dabei charakterisiert Serres die jungen Menschen als kleine Däumlinge. Diese Umschreibung ruhe darauf, dass die heutige Generation durch das Tippen auf dem Smartphone mit dem Daumen und überhaupt mit der Nutzung des Internets und der dazu nötigen Geräte andere Hirnregionen anspreche als durch die Beschäftigung mit Büchern. Fasziniert ist der Autor von Verfügbarkeit und schneller Abrufbarkeit von Wissen. Dies habe zur Konsequenz, dass sich die von ihm sogenannten Däumlinge nicht mehr in das hergebrachte Schema der Wissensvermittlung einpassten. Die klassische Weitergabe von Wissen beispielsweise durch Lehrer oder Hochschuldozenten werde infrage gestellt, da die Lernenden jederzeit selbst auf das Wissen, das dem Vermittler zur Seite stehe, zugreifen könnten. Völlig außer Acht bleibt hierbei allerdings die Qualität der abrufbaren Daten und die Frage, in welcher Weise eine Differenzierung oder Kontrolle der verfügbaren Daten geschieht. Den Philosophen Serres interessieren mehr die Veränderungen als die tatsächliche Ausgestaltung: Nach Sprache und Gedrucktem folge nun eine neue Phase der Wissensweitergabe. Für Gesellschaft und Politik diagnostiziert er einen – durch die neuen Zugänge zu Expertenwissen beflügelten – ständigen Drang des Hinterfragens: „Die Stimme stimmt unaufhörlich ab“ (57). Dadurch müssten sich vor allem Politiker deutlich schneller auf die Umgebung einstellen. Serres sieht hier sogar eine Abkehr der Inkompetenzvermutung, da sich die Däumlinge in jeder denkbaren Situation Wissen über das gerade Notwendige verschaffen könnten. Die von ihm gewählten Beispiele überzeugen jedoch nur in Teilen. Zudem stellt sich die Frage, was aus einer Gesellschaft wird, die laut Serres in einem sehr hohen Grad aktiv ist und die Autorität für die Nutzung jeglichen Wissens für sich beansprucht.
Timo Freudenberger (TF)
Dr., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 5.422.22 Empfohlene Zitierweise: Timo Freudenberger, Rezension zu: Michel Serres: Erfindet euch neu! Frankfurt a. M.: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/36805-erfindet-euch-neu_45092, veröffentlicht am 27.02.2014. Buch-Nr.: 45092 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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