/ 05.06.2013
Helga Nowotny
Es ist so. Es könnte auch anders sein. Über das veränderte Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft
Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1999 (Erbschaft unserer Zeit. Vorträge über den Wissensstand der Epoche 4); 122 S.; 14,80 DM; ISBN 3-518-12104-9Im Zuge einer nach wie vor anhaltenden Verwissenschaftlichung gesellschaftlicher Prozesse - auf der Ebene von Ergebnissen (Produkten) wie auf der von Verfahren - setzen paradoxe Effekte ein, die den sozialen Status von Wissenschaft, ihre exklusive Definitionsmacht hinsichtlich "wahren Wissens", bedrohen. Wissenschaft unterliegt - so die Ausgangsthese der in Zürich lehrenden Wissenschaftsphilosophin - ähnlich wie zuvor schon Religion und Moral einem "Privatisierungsschub" (20), der sie mit der doppelten Herausforderung konfrontiert, "sowohl vor einem utilitaristisch-instrumentellen als auch demokratisch legitimierten Kalkül" bestehen zu müssen (23). Die Frage, wie Wissenschaft mit diesem - von ihr als Autoritätsverlust erlebten - steigenden Mitspracheverlangen von Öffentlichkeit umgeht, untersucht Nowotny einerseits in wissenschaftshistorischer, andererseits in wissenschaftssoziologischer Perspektive. Die soziologische Reflexion der modernen Produktionsbedingungen wissenschaftlichen Wissens hebt deren unvermeidliche Einbettung in soziale Kontexte hervor (45 f.). Wenn heute "der epistemische Kern immer wieder neu verhandelt werden kann" (32), verliert die Unterscheidung von "reiner" und "angewandter" Wissenschaft an Bedeutung (50). Mit Hilfe der Differenzierung zweier Modi der Wissensproduktion schlägt die Autorin eine (konstruktivistisch geleitete) Entmythologisierung des Selbstbildes einer allgemeingültigen Erklärungsprinzipien verpflichteten Wissenschaft vor (66 ff.). Dabei votiert sie nicht nur für ein Wissenschaftsverständnis, das transdisziplinär angelegt und zumeist auf lokale Anwendungen bezogen ist (Modus II). Auch wissenschaftsgeschichtlich hält sie es für plausibel, dass sich das Bild eines disziplinär geordneten und auf kognitiven Hierarchien beruhenden Wissens (Modus I) bei eingehenderer Analyse als "diskursive Maske" erweisen würde, die verdecken soll, "dass jeder Prozess der Wissenserzeugung intrinsisch ein sozialer Prozeß ist" (77). Von den beiden Essays des Bandes ist der zweite eine veränderte Fassung eines bereits 1997 erschienenen Aufsatzes.
Inhalt: Es ist so. Es könnte auch anders sein. Über das veränderte Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft; Vom Baum der Erkenntnis zum Rhizom. Zur Dynamisierung der Wissensproduktion.
Thomas Mirbach (Mir)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.2
Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Helga Nowotny: Es ist so. Frankfurt a. M.: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/8230-es-ist-so_10849, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 10849
Rezension drucken
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
CC-BY-NC-SA