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/ 03.06.2013
Miles Kahler / Werner Link

Europa und Amerika nach der Zeitenwende - die Wiederkehr der Geschichte

Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung 1995; 175 S.; brosch., 20,- DM; ISBN 3-89204-148-2
Nach dem Ende der Konfrontation in Europa wird auf beiden Seiten des Atlantiks eine der Kernfragen der zukünftigen internationalen Ordnung breit diskutiert: Hat die transatlantische Partnerschaft mit dem Wegfall der Bedrohung ihren Gemeinsamkeit stiftenden Sinn verloren und wird sie sich in Zukunft an den aufkommenden Rivalitäten und Konflikten aufreiben? Oder gibt es eine andere dauerhafte Grundlage, die bislang verdeckt war oder die es noch zu schaffen gilt? Beide Autoren analysieren die Geschichte der transatlantischen Beziehungen mit dem Ziel, daraus Erkenntnisse für ihre Zukunft zu gewinnen. Kahler stellt die verbreitete - auf eine (neo)realistische Sicht der internationalen Politik zurückgehende - These in Frage, daß vor allem die gemeinsame Bedrohung die Partnerschaft zwischen Europa und den USA begründet hat und beides jetzt wegfalle. Im Gegensatz dazu "könnte eine liberale Darstellungsweise anhaltenderes, sowohl auf wirtschaftlichen, kulturellen und ideologischen als auch militärischen Bindungen basierendes Engagement [der USA in Europa] porträtieren" (46). Kahler leugnet nicht das Aufkommen von Reibungen und Konflikten in den europäisch-amerikanischen Beziehungen. Aber die lange Zusammenarbeit habe Gesellschaften auf beiden Seiten hervorgebracht, die in den wichtigsten politischen Ordnungsfragen übereinstimmten und "die tief in einem dichten Netz institutioneller Verbindungen verwickelt sind" (47). Link arbeitet die historischen Kontinuitäten und Diskontinuitäten im transatlantischen Verhältnis heraus. Auch nach seiner Analyse bedeutet das Ende der Bedrohung nicht auch die Auflösung der kooperativen Beziehungen. Die Kontinuität amerikanischer Handlungsmaximen macht ein amerikanisches Engagement in Europa und anhaltend kooperative Beziehungen wahrscheinlich. Wenn Europa aus dem Integrationsprozeß als handlungsfähiger Akteur hervorgeht, dann sieht Link gute Chancen für ein "symmetrisches, balanciertes transatlantisches Verhältnis" (158). Mit Links Beitrag wird die Reihe der bemerkenswerten Arbeiten, die im Rahmen des halbjährigen Gastforscherprogramms im Forschungsinstitut der Stiftung Wissenschaft und Politik entstanden sind, fortgesetzt. Beide Beiträge sind für die Debatte über die Zukunft der transatlantischen Beziehungen grundlegend, weil sie analytische Distanz zum vermeintlich wichtigen Tagesgeschehen in Europa und den USA bewahren und die aus der Betrachtung der Geschichte der transatlantischen Beziehungen gewonnenen Einsichten für die politische und wissenschaftliche Diskussion nutzbar gemacht haben.
Michael Broer (MB)
Dr., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 4.22.612.64 Empfohlene Zitierweise: Michael Broer, Rezension zu: Miles Kahler / Werner Link: Europa und Amerika nach der Zeitenwende - die Wiederkehr der Geschichte Gütersloh: 1995, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/1027-europa-und-amerika-nach-der-zeitenwende---die-wiederkehr-der-geschichte_976, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 976 Rezension drucken
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