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/ 19.02.2015
Rainer Trampert

Europa zwischen Weltmacht und Zerfall

Stuttgart: Schmetterling Verlag 2014; 240 S.; brosch., 14,80 €; ISBN 978-3-89657-067-6
Ein Buch, das keinen Zweck, kein Ziel und keine Frage verfolgt, macht es dem Leser schwer. Rainer Trampert, Mitbegründer der Grünen, verzichtet in seinem jüngsten Buch auf eine Einleitung, in der er sein Anliegen formulieren würde. Auch Hinweise zur inneren Struktur des Bandes sowie zu den Texten, bei denen es sich offensichtlich um eine Zusammenstellung verschiedener Aufsätze handelt, fehlen. Stattdessen steigt Trampert unvermittelt mit weitausholenden historiografischen „Gedanken über Europa“ (7) in sein Opus ein. Dabei bedient er sich eines universalistisch‑humanistischen Duktus, der sich streckenweise durch eine Aneinanderreihung unzähliger Zitate auszeichnet, ohne dass Quellen sauber genannt werden. Auf diese Weise ist oft kaum mehr erkennbar, ob es sich um Tramperts eigene Positionen oder die der Zitierten handelt. Die Kritik an allem und jedem scheint dabei Programm. Die damit verbundene Attitüde der besserwisserischen Welterklärerei ist oft nur schwer zu ertragen. Bereits die Kapitelüberschriften verdeutlichen, dass hier einer das große Ganze erklären will – ohne dass jedoch immer der innere Zusammenhang zwischen den Einzelaspekten deutlich wird. Auch gleitet Trampert wiederkehrend in unzählige Details ab, die Bezüge zu den Themen der Kapitelüberschriften werden dabei nicht immer hinreichend klar. So verweist er in dem Abschnitt über die „Fundamente der EU“ darauf, dass „das Soziale an der Marktwirtschaft […] keine Antwort des Staates auf den Faschismus und den Kapitalismus [war], sondern […] dem Staat, dem Kapital und Ludwig Erhard mühevoll abgerungen“ wurde. Wer hier wem was abgerungen hat, bleibt unklar, ist aber offenbar auch egal, weil damit die „romantische Reminiszenz“ (23) von so unterschiedlichen Leuten wie Elmar Altvater, Sahra Wagenknecht und Helmut Kohl kritisiert wird. Warum dann gleich anschließend darauf hingewiesen wird, dass die Bundesrepublik nicht in Afghanistan die meisten Soldaten nach dem Zweiten Weltkrieg verloren hat, sondern in den Kriegen der französischen Fremdenlegion, erschließt sich nicht. Die ökonomischen Analysen von Trampert enthalten hingegen einige interessante Einschätzungen und Überlegungen. Gleichwohl steht er auch hier immer wieder in der Gefahr, durch überzogene Formulierungen seine Glaubwürdigkeit zu unterminieren. Das gilt für Aussagen, wenn er über eine Einnahme und einen Anschluss der Westukraine fabuliert, von „weißen Mitteleuropäern“ (208) spricht oder über „Linkskeynesianismus“ und „Institute des Guten“ herzieht, zu denen er „Greenpeace, Linkspartei, Occupy, Dritte‑Welt‑Foren, Konsumberater, Keynesianer“ (209) zählt. Solche Rundumschläge zeugen von einer gewissen Verbitterung und sind letztlich nur destruktiv – zumal, wenn sie nicht durch eine eigene Vision flankiert werden.
{HS}
Rubrizierung: 2.24.14.433.13.63.53.72.232.3 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Rainer Trampert: Europa zwischen Weltmacht und Zerfall Stuttgart: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/38090-europa-zwischen-weltmacht-und-zerfall_46191, veröffentlicht am 19.02.2015. Buch-Nr.: 46191 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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