Neben dem klassischen Rechts-links-Schema macht der Autor eine neue Konfliktlinie im türkischen Parteiensystem aus, an der sich pro-europäische und euroskeptische Positionen trennen. In seiner Untersuchung rückt er zwei euroskeptische Parteien in den Mittelpunkt, die sozialdemokratische Republikanische Volkspartei (CHP) und die rechte Nationalistische Bewegungspartei (MHP). Deren Wähler sind zwar mit jeweils deutlicher Mehrheit für einen EU-Beitritt der Türkei, und auch die Parteien befürworteten dies offiziell. Tatsächlich aber weist ihnen Büyükbay ganz andere Positionen nach, die geprägt sind von der Vorstellung, Europa habe die Besonderheiten der Türkei zu akzeptieren, und von der Furcht, die nationale Einheit sei durch den Einfluss der EU gefährdet. Konkret geht es dabei vor allem um die Minderheiten der Kurden und der Armenier sowie um den geschichtspolitischen Umgang mit dem Völkermord an Letzteren. Außerdem ist die Zukunft (Nord-)Zyperns von zentraler Bedeutung für das türkische Selbstverständnis, wie es in den beiden Parteien repräsentiert wird. Der Autor filtert u. a. aus Parteiprogrammen und öffentlichen Auftritten der Parteifunktionäre, aus Sitzungsprotokollen des türkischen Parlaments und Veröffentlichungen der Parteien heraus, dass die CHP und MHP in unterschiedlichen Abstufungen im Gegensatz zu den politischen und rechtlichen Grundsätzen der EU eher bestreiten, dass es in der Türkei überhaupt Minderheiten gibt und diesen auch noch irgendwelche Rechte zustehen könnten. Auch mit Blick auf Zypern wird auf Maximalforderungen beharrt. Damit zeigt sich, dass die linke CHP euroskeptische Positionen propagiert, die rechte MHP aber sogar eine stark nationalistische und europhobe Ideologie vertritt, die nach Ansicht des Autors mit den Werten der EU unvereinbar ist. Aus dieser Studie ist damit insgesamt der Eindruck zu gewinnen, dass es in der Türkei wichtige politische Kräfte gibt, die einer Integration des Landes in die EU entgegenstehen.