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/ 04.06.2013
Roland Baader

Fauler Zauber. Schein und Wirklichkeit des Sozialstaats

Gräfelfing: Resch Verlag 1997; 292 S.; hardc., 48,- DM; ISBN 3-930039-59-1
Die Kritik am Sozialstaat ist so alt wie dieser selbst. Die meisten wissenschaftlichen Kritiker stehen dabei dem Sozialstaat nicht prinzipiell ablehnend gegenüber, sondern beklagen seine problematischen Auswüchse und versuchen, Konzeptionen und Vorschläge zu unterbreiten, die zur Lösung der Probleme beitragen sollen. Von solch konstruktiver Kritik leben die Wissenschaft wie der gesellschaftlich-politische Wandel. Daneben gibt es aber auch Kritiker, die nicht in den Fehlentwicklungen des Sozialstaates, sondern in diesem selbst das Problem sehen. Baader ist einer von ihnen. Die Botschaft seines Buches ist rasch zusammengefaßt: Der Sozialstaat muß abgeschafft werden, da er seinen Bürgern die Freiheit raubt, sie entmündigt und knechtet. Diese Bürger merken das nicht, weil sie bereits korrumpiert sind. Für solche Menschen benutzt Baader den Ausdruck "Sozialmensch" ("der dominierende Typus des homo sapiens der westlichen Welt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts" [7]). Den Sozialmenschen stehen die "Freunde der Freiheit" und die "Freiheitsdenker" gegenüber. Diese sind die letzte Bastion, die das Abendland vor dem Untergang bewahren kann. Zur Erfüllung dieser Mission bedarf es der Aufklärung der Massen unterdrückter Sozialmenschen: "Die Zungen der Freiheitsdenker müssen zu Flammenwerfern werden, damit sie Hunderttausende jener Menschenherzen mitentzünden können, die in der kalten Lügenatmosphäre des Sozialstaats starr und gleichgültig geworden sind" (275). Der Einsicht, daß es hier um Herzensangelegenheiten geht, entsprechen Art und Stil des Baaderschen Vortrags. Nach der Darlegung der Überzeugungen, die der Kritik zugrunde liegen (z. B.: Freiheitsverständnis: 81 ff., Demokratieverständnis: 221 ff.), wird der Flammenwerfer eingeschaltet. Das subtile Feuerzeug läßt es nicht nur warm ums Herz werden, sondern übergibt nebenbei auch allerhand Unliebsames den Flammen, etwa John Rawls' Gerechtigkeitstheorie. Bei dieser handelt es sich nämlich "in Wirklichkeit" um eine "philosophische Rechtfertigung der politischen Kleptokratie nach dem gewohnten sozialdemokratischen Muster" (211) - mit "totalitären Grundzüge[n]" (210) versteht sich. In dieser Weise geht es weiter durch Politik und Wissenschaft, und am Schluß weiß man immerhin, wer die Guten und wer die Bösen sind. Das Zeitalter der Ideologie ist nicht beendet. Wer daran Zweifel hat, darf sein Herz an folgendem flammenden Appell erwärmen: "Freund, Bürger, Nachbar: Wach auf! Hör nicht mehr hin auf die Phrasendrescher und Lügner deiner sogenannten 'Interessenvertretung', geh nicht mehr hin auf die Versammlungen der Hetzer und Verleumder, glaube nicht mehr an die Parolen der Verführer und Allesversprecher. Stell dir vor, es ist Partei und Lobby, es ist Gewerkschaft und Verband, stell dir vor, es ist 'Staat' - und keiner geht hin. Dann, Bürger gehörst du wieder dem, dem du allein gehören darfst: dir selber" (81).
Michael Henkel (MH)
Priv.-Doz. DR., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.3425.415.42 Empfohlene Zitierweise: Michael Henkel, Rezension zu: Roland Baader: Fauler Zauber. Gräfelfing: 1997, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/5947-fauler-zauber_7783, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 7783 Rezension drucken
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