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/ 21.06.2013
Jochen Staadt / Tobias Voigt / Stefan Wolle

Feind-Bild Springer. Ein Verlag und seine Gegner

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2009; 328 S.; geb., 19,90 €; ISBN 978-3-525-36381-2
Es gibt Hinweise darauf, dass die SED-Führung die Bild-Zeitung zum Frühstück las – und Angst vor ihr hatte. Diese Angst mag auf den ersten Blick unbegründet gewesen sein, durfte das Blatt doch in der DDR gar nicht verkauft und gelesen werden. Aber der Verleger Axel Springer hatte das Regime schon früh das Fürchten gelehrt. In den 50er-Jahren, so die Autoren, „wiegte sich Springer in gesamtdeutschen Illusionen“, die für die DDR sehr gefährlich hätten werden können. So wurde der Verleger zusammen mit dem Chefredakteur der Welt 1958 in Moskau von Chruschtschow empfangen – und nährte damit „die Urangst aller SED-Führer, sie könnten von Moskau zugunsten einer neutralen Lösung der deutschen Frage fallen gelassen werden“ (22). Zwar zeigte das Treffen keinerlei Ergebnisse, doch die DDR begann sich spätestens nun geradezu obsessiv mit dem Verleger und seinen politisch positionierten Zeitungen zu beschäftigen. Die Kritik an der Bild-Zeitung allerdings, so die Autoren, könnte nach dem Austausch weniger Vokabeln „als eine fundamentale Kritik an den Medien der DDR“ gelesen werden. „Die SED-Ideologen unterstellen die Verwirklichung ihrer heimlichen Wünsche von einem total manipulierten Individuum ihrem Feind.“ (48) Es folgten nicht nur die Spitzeleien der Stasi im Verlag oder die wenig erfolgreichen Versuche, aus der Anti-Springer-Kampagne der 68er-Bewegung einen Nutzen zu ziehen, sondern auch absurde Vorhaben. Dazu gehörte die Herstellung einer eigenen Bild-Zeitung ausschließlich für den Vertrieb im Westen. Man versuchte sich den westlichen Lesegewohnheiten anzupassen und gleichzeitig die DDR zu loben. Aber auch „gleich mehrere Bilder unbekleideter Frauen“ (70) auf einer Titelseite machten aus dem Blatt keinen Erfolg, 1963 wurde es eingestellt. Ein weiteres Kuriosum ist der gefloppte Propagandafilm „Ich, Axel Caesar Springer“ aus den 60er-Jahren, mit dem die Bundesrepublik direkt politisch beeinflusst werden sollte. Insgesamt ist es den Autoren – auf der Basis einer Kooperation zwischen der FU Berlin und dem Springer Verlag – gelungen, diese ideologisch stark übergewichtige Auseinandersetzung zwischen einem Teilstaat und einem Verleger aufschlussreich und kurzweilig darzustellen.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.3332.3132.314 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Jochen Staadt / Tobias Voigt / Stefan Wolle: Feind-Bild Springer. Göttingen: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/31658-feind-bild-springer_37723, veröffentlicht am 10.03.2010. Buch-Nr.: 37723 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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