Skip to main content
/ 03.06.2013
Anette Herlitzius

Frauenbefreiung und Rassenideologie. Rassenhygiene und Eugenik im politischen Programm der "Radikalen Frauenbewegung" (1900-1933)

Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag 1995; 374 S.; brosch., 72,- DM; ISBN 3-8244-4172-1
Sozialwiss. Diplomarbeit Osnabrück; Gutachter: C. Klingemann. - Untersucht wird die Rezeption des Rassenhygiene-/Eugenik-Diskurses seitens der Vertreterinnen des radikalen Flügels der bürgerlichen Frauenbewegung sowie ihre Funktion für die Popularisierung rassenhygienischer Programme. Der Autorin zufolge wurde von den "Radikalen" gerade auch die rassenanthropologische Komponente der Eugenik/Rassenhygiene rezipiert. Sie bedienten sich eugenischer/rassenhygienischer Denksysteme zum einen "als Deutungsmodell der vorgefundenen politisch-ökonomischen und kulturellen Lebenswirklichkeit sowie als zweckrationale, sozialtechnologische Lösungsstrategie einer rationalen Gestaltung der Volkswirtschaft" (337). Zum anderen machten sie sich diese für die Zwecke ihrer Sozialutopie zunutze, indem die Rassenhygiene mit den politischen Zielen der Frauenbewegung - wie Bildung und Erwerbstätigkeit, wirtschaftliche Autonomie, Rechts- und Geschlechtergleichheit - verknüpft wurde. Von der präfaschistischen deutschen Rassenhygiene setzten sich die "Radikalen" vor allem durch ihre staatskritische, auf die Eigenverantwortlichkeit der "Fortpflanzungsauslese" bedachte Haltung ab. Sie setzten vorrangig auf sozialpolitische Strategien, die nicht nur wirtschaftliche Notlagen mildern, sondern die gesellschaftsstrukturellen Rahmenbedingungen schaffen und Störfaktoren ausschalten sollten. Wenn die "Radikalen" laut Herlitzius auch nicht als Wegbereiterinnen faschistischer Rassenhygiene zu betrachten sind, so leisteten sie doch einen Beitrag zur Popularisierung rassenhygienischer Deutungsmuster und Zielvorstellungen. Als weitaus prekärer bewertet wird ihre Zuarbeit für die Professionalisierung der Rassenhygiene/Eugenik im Rahmen ihres Engagements innerhalb der Sexualreformbewegung und der "linken" Eugenik-Bewegung, an die die NS-Rassenhygiene nach 1933 unmittelbar anknüpfen konnte.
Julia Schmidt-Häuer (JSH)
Dr., Referentin im wissenschaftlichen Dienst der SPD-Bürgerschaftsfraktion in Bremen.
Rubrizierung: 2.3112.36 Empfohlene Zitierweise: Julia Schmidt-Häuer, Rezension zu: Anette Herlitzius: Frauenbefreiung und Rassenideologie. Wiesbaden: 1995, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/904-frauenbefreiung-und-rassenideologie_805, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 805 Rezension drucken
CC-BY-NC-SA