/ 13.08.2015
Martin Espenhorst
Frieden erdenken: Vormoderne Perspektiven auf Europa. Ausgewählte Aufsätze 1995-2014
Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2015; 211 S.; 39,- €; ISBN 978-3-8487-1691-3Im Zentrum der in diesem Buch versammelten, wiederholt abgedruckten Aufsätze von Martin Espenhorst steht der Begriff des Friedens – wie wurde er in der Vormoderne wahrgenommen, konzipiert, politisch umgesetzt und wie hat er sich in der Gegenwart zu einer europäischen Friedenskultur verdichtet? In seinem Versuch der Erschließung von Frieden deckt Espenhorst mit diesen Texten ein breites Spektrum an Themen ab. So finden sich Beiträge zum europäischen Friedens‑ und Friedensvertragsdiskurs ebenso wie Studien über einzelne Autoren und schon eher historisch‑soziologische Analysen über die Ehe als Instrument der Friedensstiftung. Was die Aufsätze zur Rekonstruktion des Nachdenkens über den Frieden bei ausgewählten historischen Persönlichkeiten anbelangt, so ist sicherlich derjenige über August Ludwig von Schlözer (1735–1809) hervorzuheben, über den Espenhorst bei Klaus Malettke promovierte und der ein wiederkehrendes Thema in seinen Schriften ist. Schlözer, seines Zeichens Historiker, Statistiker und Staatsrechtler an der Universität Göttingen, war – so ist dem eher deskriptiven Text zu entnehmen – zu seiner Zeit ein überaus „kompetenter Beobachter europäischer Staaten“, die sich deswegen zum „glücklichsten [...] Weltteil“ (48) entwickelt haben, weil es gelungen sei, ein politisches Mächtegleichgewicht zu etablieren: „Das europäische Staatensystem war für ihn der Garant einer funktionierenden binnenpolitischen Ordnung.“ (47) Leider hat Espenhorst an dieser Stelle nicht weiter ausbuchstabiert, welche Mechanismen genau aus Schlözers Sicht zur Stabilisierung der europäischen Friedensordnung beigetragen haben. Und auch eine Einschätzung darüber, welche Mechanismen dann im langen 19. Jahrhundert versagt haben, findet sich nicht. Immerhin wird im Rahmen des Bandes ein neuer, eher nüchterner Blick auf die Ehe als „dynastisches Instrument der europäischen Sicherheitspolitik“ (187) erschlossen. Klappt es mit dem Frieden durch Heirat nicht, handelt es sich um „Missheiraten“, in denen der Göttinger Rechtswissenschaftler Johann Stephan Pütter bereits 1796 ein „den gesellschaftlichen Frieden der Staaten insgesamt destabilisierendes Signal“ (201) erblickte. Apropos: „Es entspricht nicht unbedingt gängigen akademischen Gepflogenheiten, schon zu einem 50. Geburtstag Sammlungen von Aufsätzen des ‚Jubilars’ erscheinen zu lassen“ (9), so lautet der erste Satz im Geleitwort des Bandes, das Heinz Durchhardt verfasst hat. Der Satz bleibt hängen, und auch die Anführungszeichen in ihm.
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Rubrizierung: 5.44 | 5.33 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Martin Espenhorst: Frieden erdenken: Vormoderne Perspektiven auf Europa. Baden-Baden: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/38748-frieden-erdenken-vormoderne-perspektiven-auf-europa_47126, veröffentlicht am 13.08.2015. Buch-Nr.: 47126 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA