/ 27.02.2014
Ronen Steinke
Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht
München/Zürich: Piper 2013; 349 S.; geb., 22,99 €; ISBN 978-3-492-05590-1Etwa 50 Jahre nach Beginn des Auschwitz‑Prozesses in Frankfurt stellt uns diese Biografie den Generalstaatsanwalt vor, der gegen erhebliche Widerstände NS‑Verbrecher vor Gericht brachte – Widerstände, die vor allem aus einer erschreckenden personellen Kontinuität resultierten, da in den Nachkriegsjahrzehnten ehemals ranghohe Nationalsozialisten entscheidende Stellen in Justiz, Polizeibehörden und Geheimdienst besetzten. Gerade in dieser Zeit, schreibt Andreas Voßkuhle würdigend im Vorwort, „in der eine juristische Aufarbeitung des Nationalsozialismus allenfalls sporadisch erfolgte, zeigte Fritz Bauer, was mit den Mitteln des Rechts möglich sein kann“ (10). Biograf Ronen Steinke, Journalist und Rechtswissenschaftler, verbindet eine dichte Erzählweise mit juristischem Fachwissen und seinen umfassenden Kenntnissen über die internationale Entwicklung von Kriegsverbrechertribunalen seit 1945. Dabei stützt er sich unter anderem auf zahlreiche Zeitzeugen, meist Wegbegleiter Bauers. Er stellt – wie auch Bauer selbst – den Frankfurter Auschwitz‑Prozess in eine Linie mit dem Tribunal von Nürnberg (1945) und dem Eichmann‑Prozess in Jerusalem (1961). Entscheidend für Bauer sei dabei gewesen, die systematische Massenvernichtung als ein soziales Phänomen zu begreifen: „Es geht um die Arbeitsteilung, die nötig war, um so reibungslos zu morden – das, was Historiker später als das zentrale Strukturmerkmal des Holocaust bezeichnen werden.“ (202) Doch Steinke vermittelt nicht nur das Porträt eines Juristen, sondern auch ein Bild des Menschen Fritz Bauer – „ein Sozialdemokrat jüdischer Herkunft, der 1936 gerade noch fliehen konnte und nach 1945 ausgerechnet in den Zweig des deutschen Staatsdienstes zurückgekehrt ist, der am stärksten von braunen Seilschaften durchsetzt ist“ (15). Und der seine jüdische Identität nach 1945 von sich wegschob, um nicht als rachsüchtiges Opfer der Nationalsozialisten zu gelten. So zeigt Steinke in seinem äußerst lesenswerten Buch die biografischen Leitmotive des Ausgeschlossenseins, der Konfrontation mit Widerständen und Anfeindungen, die Fritz Bauers Leben bis zu seinem Tod 1968 prägten.
Frank Kaltofen (FK)
Politikwissenschaftler, Promotionsstudent, Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.3 | 2.311 | 2.312 | 2.313 | 2.35 | 2.323
Empfohlene Zitierweise: Frank Kaltofen, Rezension zu: Ronen Steinke: Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht München/Zürich: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/36799-fritz-bauer-oder-auschwitz-vor-gericht_44900, veröffentlicht am 27.02.2014.
Buch-Nr.: 44900
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Politikwissenschaftler, Promotionsstudent, Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
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