Fritz Kolbe ist ein vergessener Spion. Dabei war er ein Exponent für den deutschen Widerstand im Dritten Reich, fernab von militärischen Kreisen, unorganisiert, idealistisch, illusionär. Kolbe, Jahrgang 1900, stammte aus kleinbürgerlichen Verhältnissen. 1925 ging er in den Diplomatischen Dienst. Erst nach 1941/42, nach der Versetzung des keineswegs karrieretüchtigen Vizekonsuls in das Verbindungsbüro des Auswärtigen Amtes zur Wehrmacht, wurde er zum aktiven Gegner des Regimes. Von nun an gelangten auf Kolbes Tisch in Berlin streng geheime Dokumente, als Vertreter der mittleren Beamtenlaufbahn im AA wurde er zu einem der am besten informierten Diplomaten. 1943 gelang ihm eine erste Reise in die Schweiz, wobei er Papiere für den amerikanischen OSS (Office of Strategic Services) schmuggelte. Mit der Zeit erkannte man auch in Washington, dass Kolbe die beste Quelle aus dem inneren Zirkel des Dritten Reiches darstellte. Seine Informationen halfen, deutsche Agenten in der Türkei zu enttarnen, sie erlaubten das Identifizieren von industriellen Zielen in Deutschland und erhellten Hintergründe der politisch-militärischen Entwicklung. Außerdem verdeutlichten sie, wie Deutschland durch das faschistische Spanien unterstützt wurde. Nach dem Krieg stand Kolbes Name allerdings in deutschen diplomatischen Kreisen auf der Schwarzen Liste. Die konservative Elite transportierte ihr altes Ehr- und Moralverständnis in den neuen Dienst; ein Vaterlandsverräter wie Kolbe hatte in diesem Dienst nichts verloren. Delattre versteht es, den unbekannten Kolbe näher zu bringen und seine Leistungen zu honorieren. Er zeigt ihn als tragischen Helden: Kolbe, der von allen Mitgliedern des Widerstandes im diplomatischen Korps die meiste Wirkung durch seine Verbindungen zu den Amerikanern erzeugte, blieb schließlich ein Gescheiterter.