/ 14.11.2013
György Széll / Roland Czada (Hrsg.)
Fukushima. Die Katastrophe und ihre Folgen
Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2013 (Arbeit, Bildung & Gesellschaft 29); 292 S.; geb., 44,95 €; ISBN 978-3-631-63661-9Im Mittelpunkt dieses Sammelbandes über die japanische Dreifachkatastrophe des Jahres 2011 stehen Fragen wie die nach deren Auswirkungen auf die Wirtschaft, auf die Politik, auf die Technologieentwicklung oder auf die internationale Zusammenarbeit. Den Auftakt macht ein Einführungsbeitrag von Széll, indem er das dramatische Unglück aus Erdbeben, Tsunami und Kernschmelze in den größeren politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Kontext Japans einordnet und auf die Folgen der Katastrophe – wie etwa Heimat‑, Obdach‑ und Arbeitslosigkeit für Hunderttausende von Menschen – eingeht. Johann Galtung fragt in seinem Beitrag, ob Fukushima ein historischer Wendepunkt sein kann. Zunächst vertritt er dabei die Meinung, dass der japanische „Nuklearismus“ (78) einerseits auf einer politisch‑ökonomischen Unterstützung durch das technokratisch geprägte Bündnis von Staat und Industriekapital basiere und andererseits sich besonders für ein Herrschaftsmodell „eines eisernen Dreiecks von Partei, Bürokratie und Industrie als Träger der ultimativen Macht“ (78 f.) eigne. Damit die Katastrophe zu einer historischen Wende führen kann, setzt Galtung vor allem auf die Zivilgesellschaft, die Gegenstand mehrerer weiterer Beiträge ist. Darin wird häufig auf die Proteste gegen die Atomkraft hingewiesen. Ob diese jedoch von nachhaltiger Wirkung sein werden, scheint zweifelhaft. So legt etwa Shuji Yamada dar, dass sich in den deliberativen Bürgerberatungen nach der Katastrophe trotz des Versagens der Behörden gezeigt hat, dass die meisten Bürger immer noch ein großes Vertrauen in den Staat haben. Skeptisch im Hinblick auf das Potenzial für schnelle Veränderung ist auch Roland Czada. Er untersucht die Beziehung von Reaktorunfällen und Anti‑Atom‑Bewegung anhand der Auswirkungen von Three Mile Island, Tschernobyl und Fukushima. Seine These lautet, dass eine vorhandene Exit‑Strategie im Parteiensystem und auf den Regierungsebenen eine Voraussetzung für eine Energiewende sei. So habe der Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland nur gelingen können, weil eben diese Institutionalisierung der Exit‑Strategie schon im Parteiensystem angelegt gewesen sei. Fukushima sei daher bloß ein Auslöser, nicht jedoch eine Ursache für den Ausstieg in Deutschland gewesen. Da solche Voraussetzungen in Japan trotz einiger Proteste nicht erkennbar seien, hält Czada einen fundamentalen Politikwechsel hinsichtlich der Energiepolitik in Japan – wenn überhaupt – nur langfristig für möglich.
Jan Achim Richter (JAR)
Dipl.-Politologe, Doktorand, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.68 | 2.22 | 2.261 | 2.262 | 2.263 | 2.61 | 2.64
Empfohlene Zitierweise: Jan Achim Richter, Rezension zu: György Széll / Roland Czada (Hrsg.): Fukushima. Frankfurt a. M. u. a.: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/36398-fukushima_44188, veröffentlicht am 14.11.2013.
Buch-Nr.: 44188
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Dipl.-Politologe, Doktorand, Universität Hamburg.
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