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/ 22.06.2013
Kurt Pelda

Gaddafis Vermächtnis. Waffen, Öl und die Gier des Westens

Zürich: Orell Füssli Verlag AG 2012; 254 S.; brosch., 16,95 €; ISBN 978-3-280-05456-7
Pelda liefert, basierend auf sieben persönlichen Reisen als Kriegsberichterstatter, eine beeindruckende Reportage über einen der zentralen Schauplätze des arabischen Frühlings: Libyen. Das Hauptaugenmerk der Reportage liegt auf den Auswirkungen der nachgerade schizophrenen Rolle westlicher Staaten, die einerseits das Gaddafi-Regime mit Waffen belieferten und ihm sein Erdöl abkauften – nur um dann ab März 2011, basierend auf der UN-Resolution 1973, genau dieses Regime zu bekämpfen: „Es ist der Gipfel des Zynismus, wenn Paris Libyen zuerst moderne Waffensysteme verkauft und sich dann wenige Monate später als Hauptinitiator einer westlichen Militärallianz gegen Gaddafi präsentiert.“ (10) Was folgt aus einer solchen Ausgangslage, was folgt aus dieser „Verlogenheit von Realpolitik“ (11) für die Zukunftschancen des Landes, das nach dem Sturz des Gaddafi-Regimes im Oktober 2011 in einer immer noch prekären politischen und ökonomischen Lage dahinvegetiert? Angesichts der verheerenden Politik Gaddafis, die dem Land, so Pelda, etwa eine immense Unterentwicklung im Bildungs- sowie im Produktionsbereich, massive Unterdrückungen und Verfolgungen sowie einen aberwitzigen Führerkult im vermeintlichen Volksmassenstaat beschert hat, scheint der Weg zu einem funktionierenden Staat noch lang. Dass dieser funktionierende Staat dann einmal ein föderaler Staat wird sein müssen, der den verschiedenen regionalen Stämmen anteilig Einnahmen aus dem Erdölgeschäft sichert, scheint ein realistisches Szenario zu sein. Peldas Einschätzung, wonach Libyen darüber hinaus zum Musterfall für die „Versöhnung“ (205) zwischen muslimischer und christlicher Welt werden könne, der über die seit dem 11. September 2001 aufgerissenen Gräben hinausweist, erscheint indes doch etwas zu optimistisch. Mit den zahlreichen, auch alltäglichen Eindrücken, die Pelda in seinem Buch packend und kenntnisreich, dabei aber nie unkritisch schildert, und noch dazu angesichts des ausführlichen Glossars und der detaillierten Zeittafel, handelt es sich um ein für die Auseinandersetzung mit der libyschen Gegenwartspolitik, aber auch für die Analyse des arabischen Frühlings unumgängliches Buch.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.634.22.612.254.43 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Kurt Pelda: Gaddafis Vermächtnis. Zürich: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/35048-gaddafis-vermaechtnis_42182, veröffentlicht am 30.08.2012. Buch-Nr.: 42182 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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