Skip to main content
/ 03.06.2013
Christopher R. Browning

Ganz normale Männer. Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die "Endlösung" in Polen. Deutsch von Jürgen Peter Krause

Reinbek: Rowohlt 1996; 280 S.; 16,90 DM; ISBN 3-499-19968-8
Die Debatte um das Buch von Goldhagen hatte den positiven Nebeneffekt, die Aufmerksamkeit auf Brownings schon 1992 in den USA erschienene Studie zu lenken. Als wohlfeiles Taschenbuch liegt sie jetzt bei rororo vor. Brownings im Detail wie im Überblick gleichermaßen souveräne Arbeit wirft einen Blick auf den Alltag des Massenmordes, der wieder Hannah Arendts Satz von der Banalität vielleicht nicht des Bösen, aber doch der Bösen bestätigt. Es waren in der Tat "ganz normale Männer", die hier zu Mördern wurden. Wie? Auf der Basis v. a. der Gerichtsprotokolle der Hamburger Prozesse gegen die Angehörigen der Einheit zeigt Browning detailliert den Gang vom ersten Massaker zur routinierten Mordmaschine, er zeigt, daß man sich sehr wohl ohne großen Aufwand und völlig gefahrlos vom Verbrechen fernhalten konnte, er zeigt, warum dies so wenige getan haben. Die Männer des Reserve-Polizeibataillons waren keine fanatischen Nazis, keine Antisemiten, nicht einmal besonders ausgesucht. Der Drang zur Konformität und "Kameradschaft" ließ die ganz normalen Männer, überwiegend mittleren Alters, mehr und mehr in diesem überdimensionalen Milgram-Experiment (224 ff.) untergehen. Was Goldhagen mit dem inhärenten Antisemitismus des Deutschen zu erklären sucht, findet hier eine differenziertere Antwort, die aber wiederum keine ist und keine sein kann. Es bleiben "zutiefst beunruhigende Implikationen" (246) für den ganz normalen Leser zurück.
Michael Dreyer (MD)
Prof. Dr., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.312 Empfohlene Zitierweise: Michael Dreyer, Rezension zu: Christopher R. Browning: Ganz normale Männer. Reinbek: 1996, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/1335-ganz-normale-maenner_1487, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 1487 Rezension drucken
CC-BY-NC-SA