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/ 28.11.2013
Joachim Klose (Hrsg.)

Gebrochene Schülerbiographien

Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2013 (Belter Dialoge 4); 105 S.; brosch., 19,- €; ISBN 978-3-86583-734-9
„An den Schulen in der DDR habe es ‚keine Agitation, keine Indoktrination, sondern Faktenvermittlung zur Herausbildung von Standpunkten gegeben. Bildungsverbote als Strafe für Andersdenkende seien nur ‚Einzelfälle’ gewesen“ (45). Tina Kwiatkowski‑Celofiga zitiert zu Beginn ihres Beitrags die Auffassung der früheren Ministerin für Volksbildung Margot Honecker über das Schulwesen der DDR – um diese dann im Laufe ihrer Ausführungen über das Erziehungskonzept der SED eindeutig zu widerlegen. Übergeordnetes Bildungsziel war die Entwicklung des Individuums zu einer sozialistischen Persönlichkeit. Wer sich dem vorgegebenen Wertekanon widersetzte, hatte mit Repressionen verschiedenster Art zu rechnen, die die Autorin differenziert darlegt. Dazu zählen auch die zahlreichen Schulverweise von Oberschülern, mit denen sich Gert Geißler beschäftigt. Ausführlich beschreibt er, an welchen Schulen Oberschüler, Schulleiter und Lehrer in den Schuljahren 1949 bis 1951 aus welchen Gründen entlassen, verhaftet oder versetzt wurden. „Ausgesprochen ‚negative‘ Kräfte und Erscheinungen wurden vor allem an großstädtischen Oberschulen und – mit Ausnahmen – besonders an traditionsreichen Gymnasien mit starker kirchlicher Bindung ausgemacht“ (21), schreibt Geißler. Als Reaktion auf die verschärften Repressionen entstand 1953 die Widerstandsgruppe „Eisenberger Kreis“. Gründungsmitglied Thomas Ammer skizziert die verschiedenen Aktionen, mit denen die Gruppe auf die staatliche Willkür aufmerksam machte und zum passiven Widerstand aufrief. 1958 wurde der Eisenberger Kreis zerschlagen, ein Teil der Mitglieder verhaftet und wegen „‚Staatsverrats’ oder ‚staatsfeindlicher Hetze’ verurteilt“ (36). Das Ausmaß der Methoden, mit denen christliche Schüler während der gesamten DDR‑Zeit diskriminiert wurden, beschreibt Kirstin Wappler. Sie hebt dabei auch hervor, dass „[t]rotz vieler leidvoller Erfahrungen […] christliche Schüler in der SED‑Diktatur nicht vornehmlich Opfer“ waren, sondern auch „der Politisierung Grenzen gesetzt und letztendlich zum Niedergang des Systems beigetragen [haben]“ (42). In weiteren Beiträgen geht es um das gegenwärtige Schul‑ und Erziehungswesen und dessen Rolle für die demokratische Bildung. Der Band ist aus einer Veranstaltungsreihe der Konrad‑Adenauer‑Stiftung und der Universität Leipzig hervorgegangen.
Anke Rösener (AR)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.3142.35 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Joachim Klose (Hrsg.): Gebrochene Schülerbiographien Leipzig: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/36454-gebrochene-schuelerbiographien_44536, veröffentlicht am 28.11.2013. Buch-Nr.: 44536 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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