/ 03.06.2013
Bernard-Henri Lévy
Gefährliche Reinheit. Aus dem Französischen von Maribel Königer
Wien: Passagen Verlag 1995; 236 S.; brosch., 44,- DM; ISBN 3-85165-179-0Lévy unternimmt den facettenreichen Versuch, die geistige Situation unseres posttotalitären Zeitalters zu charakterisieren. Den Ausgangspunkt bildet dabei eine kritische Auseinandersetzung mit der These vom Ende der Geschichte. Diese verwirft Lévy angesichts der Ereignisse in Ruanda, Bosnien oder Algerien. Die Kategorie, mittels derer er jene Ereignisse faßt, ist der "Integrismus", der "Wille zur Reinheit". Die Charakterisierung des Integrismus (55 ff., 77 ff., 89 ff.), der nicht nur auf die gegenwärtigen religiösen und ethnischen Fundamentalismen, sondern ebenso auf den Kommunismus, den Nationalsozialismus, den Terror Saint-Justs und Pol Pots, auf den Moralisten Savonarola oder auf die Ideologie der political correctness angewandt werden kann (77 ff., 188), erinnert an Voegelins politikphilosophische Studien über die mittelalterlichen Sektenbewegungen und den Gnostizismus der Moderne.
Lévys kämpferischer Essay verharrt nicht bei der düsteren Analyse der gegenwärtgen Situation und bei der Anklage eines verlogenen Humanitarismus der westlichen Demokratien, welcher in diesen zunehmend die Politik ersetze (113 ff.). Vielmehr ruft er zur Verabschiedung der Idee der Reinheit - also auch: derjenigen der Wahrheit (207 ff.) - auf, dazu, die Pluralität der Perspektiven ebenso wie den unvollkommenen Zustand der Welt zu akzeptieren.
Michael Henkel (MH)
Priv.-Doz. DR., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 5.4 | 2.25 | 2.2
Empfohlene Zitierweise: Michael Henkel, Rezension zu: Bernard-Henri Lévy: Gefährliche Reinheit. Wien: 1995, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/1109-gefaehrliche-reinheit_1087, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 1087
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Priv.-Doz. DR., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
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