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/ 21.06.2013
Antonio Gramsci

Gefängnisbriefe. Band II: Briefwechsel mit Tanja Schucht 1926-1930. Hrsg. von Ursula Apitzsch, Peter Kammerer und Aldo Natoli. Übersetzt von Ursula Apitzsch, Peter Kammerer und Jeannette Salburg

Hamburg: Argument 2008; 349 S.; geb., 25,- €; ISBN 978-3-88619-422-3
Erst 1988 entdeckte Natoli über 600 Briefe, die Tanja Schucht an ihren Schwager Gramsci geschrieben hatte. Mit einer Veröffentlichung des ersten Teils des Briefwechsels werde sie endlich als die zentrale Gesprächspartnerin Gramscis während seiner Zeit im Gefängnis gewürdigt, schreibt er in einem der vier einleitenden Beiträge. Da Gramsci anfangs zwei Briefe in der Woche, später dann nur zwei im Monat schreiben durfte, musste er sich auf einen sehr kleinen Kreis der Adressaten beschränken; mehr und mehr übernahm seine Schwägerin eine Mittlerrolle zwischen ihm und seiner Familie in Moskau und Sardinien sowie zur Partei – sie wurde „zu einer Art ‚Medium’, das mit allen Kräften den Häftling mit der Welt, von der er getrennt ist, verbindet“, schreibt Kammerer. Entstanden sind die Briefe zeitgleich mit den „Gefängnisheften“, nachdem Gramsci trotz seiner Immunität als Abgeordneter vom faschistischen Regime 1926 verhaftet worden war. Seine schwangere Frau Giulia und sein kleiner Sohn waren zu diesem Zeitpunkt bereits nach Moskau abgereist und der „Kampf gegen das Abreißen der Verbindungen und das Absterben der Gefühle wird zum eigentlichen großen Thema der Gefängnisbriefe“. Immer wieder überlagerten sich als Adressatinnen Giulia und Tanja, die „eigentümliche Konstellation, die die Gefühlswelt des Häftlings mit der der beiden Schwestern vermischt und bereichert [...] durchzieht romanhaft den ganzen Briefwechsel“ (31). Alle politischen Bezüge, auch Gramscis Ängste vor einer von Moskau ausgehenden Ausgrenzung aus der kommunistischen Bewegung, finden sich angesichts der Zensur vor allem in chiffrierter Form wieder. Die italienische Erstausgabe umfasst 856 Einzelmanuskripte, davon 239 Briefe Gramscis an Tanja. Diese sind vollständig in der deutschen Ausgabe enthalten. Aus den Briefen Tanjas sei so ausgewählt worden, dass der Dialog nachvollzogen werden könne, schreibt Apitzsch. Der 1994 erschienene erste Band umfasst die Korrespondenz Gramscis mit seiner Frau, im dritten Band wird der Briefwechsel mit Tanja von 1931 bis 1935 publiziert.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 5.462.612.1 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Antonio Gramsci: Gefängnisbriefe. Band II: Briefwechsel mit Tanja Schucht 1926-1930. Hamburg: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/28876-gefaengnisbriefe-band-ii-briefwechsel-mit-tanja-schucht-1926-1930_34082, veröffentlicht am 29.07.2008. Buch-Nr.: 34082 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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