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/ 22.06.2013
Juliane Spitta

Gemeinschaft jenseits von Identität? Über die paradoxe Renaissance einer politischen Idee

Bielefeld: transcript Verlag 2013 (Edition Moderne Postmoderne); 353 S.; 33,80 €; ISBN 978-3-8376-2236-2
Diss. phil. FU Berlin; Begutachtung: G. Gebauer, A. Demirovi?. – Der Begriff der Gemeinschaft ist vor allem im deutschen Sprachgebrauch durchaus widersprüchlich und hat zwischen historisch bedingter Verpöntheit und partieller gegenwärtiger Renaissance bereits sämtliche Aspekte des politischen und gesellschaftlichen Diskurses abgedeckt. Dies macht ihn in der Tat zu einem lohnenswerten Objekt wissenschaftlicher Auseinandersetzung. Um sich nicht im Dickicht der nahezu unendlichen historischen Verzweigungen zu verlieren, die der Begriff mit sich bringt, bedarf es jedoch einer relativ klar abgegrenzten Fragestellung. Die konkrete Zielsetzung Juliane Spittas wird aber leider allenfalls implizit erkennbar und bezieht sich nahezu ausschließlich auf das Vorhaben einer politik‑ und ideengeschichtlichen Darstellung der Begriffsentwicklung. Außerdem diskutiert die Autorin alternative Vorstellungen von Gemeinschaft, die weniger stark mit der Frage von Identitäten verbunden sind und gleichsam eine „Praxis der Gemeinschaftlichkeit“ begründen können, „die Prekarität, Krise und Mangel als produktive Parameter des Politischen anerkennt“ (28). Ausgehend von einer Einordnung von Gemeinschaft in das „[p]olitisch Imaginäre“ (33) wird die Begriffsgeschichte beginnend bei Hobbes und Rousseau über die Entwicklungen in Nationalismus, Rassismus und Nationalsozialismus bis hin zur neuen Anrufung von Gemeinschaft im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung erörtert. Im Schlusskapitel greift Spitta auf das Konzept der Commons als mögliche Ausbildung einer neuen Form von Gemeinschaft zurück, die sich nicht auf Wesen und Identität bezieht, sondern „die Felder gemeinsames Handeln, Gemein‑Eigentum und Gemein‑Wohl […] miteinander verbindet“ (325). Wer eine (partielle) ideengeschichtliche Einführung in den Begriff der Gemeinschaft sucht, wird große Teile des Buches mit Interesse lesen. Neue Erkenntnisse lassen sich jedoch mangels eines untersuchungsanleitenden roten Fadens nur mühsam gewinnen.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 5.15.335.422.32.312.35 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Juliane Spitta: Gemeinschaft jenseits von Identität? Bielefeld: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/35829-gemeinschaft-jenseits-von-identitaet_43583, veröffentlicht am 19.06.2013. Buch-Nr.: 43583 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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